Janet Thun und Ute Voigt

Ein erster großer Schritt

Rentnerin mit 38? Damit will sich Janet Thun nicht abfinden. Die Berlinerin engagiert sich in der Selbsthilfe und als ehrenamtliche Schlaganfall-Helferin.

Der Schlaganfall traf unvermittelt

Der Schlaganfall traf die junge Frau völlig unvermittelt, als sie 2013 ihr Studium der Geschichte und Kunstgeschichte abschloss. Im Rollstuhl fuhr sie in die Rehaklinik, am Stock gehend kam sie heraus. Doch die rechte Hand war gelähmt, die Sprache komplett weg, und noch heute ringt sie häufig nach den richtigen Worten.

Trotz Rente noch sinnstiftend tätig sein

Nach vielen Therapien und einer wiederholten, längeren Rehabilitation erhielt sie Post von der Deutschen Rentenversicherung. „Die haben mich in die Rente geschickt“, sagt die junge Frau. Die Verbitterung ist ihr noch immer deutlich anzumerken, denn Janet will arbeiten. Auf der Suche nach einer sinnstiftenden Tätigkeit traf sie auf Ute Voigt. Beide kannten sich vorher flüchtig, wohnten im selben Kiez, und beide erlitten einen Schlaganfall – das Schicksal nimmt manchmal seltsame Wege.

Janet Thun (links) traf Ute Voigt

Ausbildung zur ehrenamtlichen Schlaganfall-Helferin

Gemeinsam nahmen sie an der Ausbildung zu ehrenamtlichen Schlaganfall-Helferinnen teil. Ein Modell, das die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe entwickelte und jetzt in vielen Regionen Deutschlands mit regionalen Partnern etabliert. In der Hauptstadt ist die Berliner Schlaganfall-Allianz (BSA) Trägerin des Projekts. Schlaganfall-Helfer sollen Betroffene im Alltag unterstützen, ihnen Hilfeangebote vermitteln und Angehörige entlasten.

Gründung einer Selbsthilfegruppe

Ute Voigt hatte Glück im Unglück, ihr Schlaganfall hinterließ keine bleibenden Folgen. Doch sie merkte schnell, dass es für junge Menschen wie Janet Thun schwer ist, die richtigen Hilfen zu finden. Mit Unterstützung der BSA gründete sie deshalb „Neue Wege“, die erste Selbsthilfegruppe für jüngere Betroffene in Berlin. Und Janet wurde das erste Mitglied. Mittlerweile zählt die Gruppe zehn Mitglieder, trifft sich einmal monatlich im Servicepunkt Schlaganfall an der Berliner Charité.

Leitung einer Aphasie-Gruppe

Janet hat darüber hinaus die Leitung einer Aphasie-Gruppe in Berlin-Mitte übernommen. Regelmäßig trifft sie sich dort mit gleichartig Betroffenen, um zu spielen und zu reden – ein gutes Training für Aphasiker.

Doch die Aphasie-Gruppe, die „Neuen Wege“ und die Ausbildung zur Schlaganfall-Helferin wirken vielfach therapeutisch. Janets Engagement für andere Schlaganfall- Betroffene hilft auch ihr selbst. „Ich habe wieder eine Aufgabe gefunden, und das gibt mir viel“, sagt sie.

Janet hat große Fortschritte gemacht

Und sie hat dabei Fortschritte gemacht, darüber freut sich auch Ute Voigt. „Ich finde, du bist viel selbstbewusster geworden“, baut sie die Freundin auf. Eine wichtige Voraussetzung neben einem festen Willen und viel Geduld, um beruflich wieder Fuß zu fassen. Denn das ist Janets großes Ziel, sie will zurück ins Arbeitsleben. Das Engagement in der Selbsthilfe ist ein erster, aber ein großer Schritt auf dem Weg dorthin.