Christian erzählt seine Geschichte

"Wer keinen Schlaganfall hatte, kann nicht mitreden"

Christian wusste, dass es eine komplizierte Operation werden würde, aber das Ausmaß der möglichen Folgen war ihm nicht klar.  Noch auf der Intensivstation hatte er einen Schlaganfall.

„Ich wusste, dass es eine komplizierte Operation werden würde, aber das Ausmaß der möglichen Folgen war mir nicht klar. Dass etwas schiefgehen könnte, habe ich einfach verdrängt. 2005 hatte ich schon mal einen Schlaganfall, der ohne Folgen blieb. Aber ich hatte Probleme mit meiner Halsschlagader, so dass 2015 schließlich ein Stück Arterie aus dem Oberschenkel in meinen Hals eingesetzt wurde.

Schlaganfall auf der Intensivstation

Wie ich später erfahren habe, hat die Operation statt der geplanten neun Stunden etwa 13 Stunden gedauert. Noch auf der Intensivstation hatte ich einen Schlaganfall – als Folge der OP. Da ich noch narkotisiert war, habe ich davon nichts bekommen, bin aber natürlich sofort behandelt worden. Als ich aufgewacht bin, habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Meine linke Seite war gelähmt, dazu kam eine schwere Spastik. Auch den Gesichtsfeldausfall habe ich sofort gemerkt. Die linke Hälfte meines Blickfeldes war einfach weg. Zudem hatte ich Schwierigkeiten bei der Aussprache und Wortfindungsstörungen. Selbst zu diesem Zeitpunkt hatte ich eigentlich noch keine Angst. Das wird schon alles wieder weggehen, dachte ich. Tat es aber nicht.

Mit einem halbseitigen Gesichtsfeldausfall ist Autofahren ausgeschlossen

In der Reha habe ich intensiv Laufen und Sprechen geübt. Gegen den Gesichtsfeldausfall wurde allerdings nichts getan. Bei der Prognose waren sich der Neurologe und der Augenarzt in der Reha einig: Das Problem wird bleiben. Und nicht nur das: Dadurch, dass ich Diabetes Typ II habe, ist die Wahrscheinlich groß, dass sich zusätzlich auch noch meine Sehkraft verschlechtert.

Das war für mich damals einer der größten Schocks. Mit einer halbseitigen Lähmung hätte ich mit einem umgebauten Auto vielleicht wieder Autofahren können, mit einem halbseitigen Gesichtsfeldausfall ist das ausgeschlossen. Dass ich auf dem Dorf wohne, macht die Sache nicht einfacher. Es gibt hier kaum öffentliche Verkehrsmittel. Mit Mitte 40 immer darauf angewiesen zu sein, dass einen die Ehefrau, Freunde oder ein Taxifahrer irgendwo hinbringen, ist furchtbar. Deswegen bin ich froh, dass ich inzwischen zumindest einen E-Scooter fahren darf. So komme ich wenigstens alleine zum ärztlichen Fachpersonal und kann einkaufen.

Der Schlaganfall bringt auch unsichtbare Folgen mit sich

Wenn ich mich in der Öffentlichkeit bewege, unsicher am Stock gehe oder von der linken Seite nicht alles wahrnehme, muss ich mir öfter mal einen blöden Spruch anhören – erstaunlicher Weise vor allem von älteren Menschen. Vielleicht können sie mein junges Alter einfach nicht mit meiner Behinderung überein bringen. Ich sage dann immer: ‚Hatten Sie einen Schlaganfall? Nein? Dann können Sie auch nicht mitreden!‘

So ist es tatsächlich: Wer selbst keinen Schlaganfall hatte, kann kaum nachvollziehen, wie sich alles plötzlich anfühlt – und was die Erkrankung neben den offensichtlichen Lähmungen noch mit sich bringt. Seit dem Schlaganfall habe ich zum Beispiel Angst vor engen, kleinen Räumen und Räumen mit vielen Menschen. Ängste, die ich vorher nicht kannte. Drei Mal pro Woche gehe ich noch zur ambulanten Physio- und Ergotherapie, zwei weitere Male sind mir leider von der Krankenkasse gestrichen worden. Damit ich mit meinem Gesichtsfeldausfall besser umgehen kann, trainiere ich selbst, indem ich viel am Computer arbeite und lese. Ich werde weiter kämpfen.“