Die Werkstatt als Chance

Viele Schlaganfall-Betroffene werden erwerbsunfähig und gehen in Frührente. Doch es gibt eine Alternative: Werkstätten bieten individuell angepasste Arbeitsplätze und die Möglichkeit, seine Stärken zu nutzen.

Noch lange nicht arbeitsunfähig

Lähmungen, Aphasie, kognitive Einschränkungen – es gibt viele Schlaganfall-Folgen, die eine Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt erschweren oder gar unmöglich machen. Arbeitsunfähig sind die Betroffenen deswegen noch lange nicht. Das weiß Ulrich Rötgers aus langjähriger Erfahrung. Er leitet den Bereich „Berufliche Bildung“ bei der Wertkreis Gütersloh gGmbH – der örtlichen Werkstatt für Menschen mit Behinderung.

Individuelle Arbeitsangebote

„Viele haben ein veraltetes Bild von Behindertenwerkstätten im Kopf, in denen Menschen eher verwahrt werden und eintönige Arbeiten verrichten“, glaubt er. Deswegen sei die Hemmschwelle für Menschen mit erworbenen Behinderungen oft hoch, in einer Werkstatt zu arbeiten. Doch dieses Bild ist längst veraltet. „Unser Ziel ist es, für jeden Mitarbeitenden Aufgaben zu finden, bei denen er seine individuellen Fähigkeiten und Interessen ausleben kann“, erklärt Rötgers. Bis zu zwei Jahre lang können die Teilnehmer von beruflichen Bildungsmaßnahmen verschiedene Abteilungen und Qualifizierungsangebote kennenlernen.

Moderne Technik unterstützt

Rötgers begleitet derzeit fünf Schlaganfall-Betroffene bei ihrem Neustart in der Werkstatt: „Einige möchten möglichst nah an ihrem früheren Beruf bleiben, andere wollen etwas anderes machen. Das darf jeder selbst entscheiden.“ Seit einigen Jahren hilft die moderne Technik, Einschränkungen auszugleichen. Anfang des Jahres wurde das gemeinnützige Unternehmen mit einem Innovationspreis für sein digitales Assistenzsystem ausgezeichnet. Eine App erklärt zum Beispiel einzelne Arbeitsschritte und prüft automatisch, ob in der Produktion die richtigen Bauteile verwendet werden. Der Fortschritt macht sich in allen Arbeitsbereichen bemerkbar – von der Schreinerei bis zum Café: Eine kreative Mitarbeiterin bedient Grafik- Programme am PC nur durch zwei Finger und Augenbewegungen. Hilfsmittel werden zum Teil individuell entworfen und am 3-D-Drucker selbst produziert.

Besser als Frührente

Immer wieder nimmt der Wertkreis an Forschungsprojekten teil, unter anderem zum Thema Robotik. „Bei uns haben auch Schlaganfall-Betroffene mit schwereren Folgen eine sinnvolle Aufgabe, eine geregelte Tagesstruktur und sind unter Leuten. Das ist für viele besser als die Frührente“, sagt Rötgers. Im Anschluss an die Qualifizierungsmaßnahmen können die Mitarbeitenden je nach Fähigkeiten Tätigkeiten im Unternehmen oder auf dem ersten Arbeitsmarkt aufnehmen. Sein Rat: „Probieren Sie es aus.“