Patienten gehen über Grenzen
© BDH-Klinik Hessisch Oldendorf

Patienten gehen über Grenzen

Musik machen, ohne je ein Instrument gelernt zu haben? Und das mit einem gelähmten Arm? Kann funktionieren und sogar das Rehabilitationsergebnis verbessern.

Motorische Rehabilitation nach einem Schlaganfall ist in erster Linie harte Arbeit

Motorische Rehabilitation nach einem Schlaganfall ist in erster Linie harte Arbeit für die Patientinnen und Patienten. Erfolge im motorischen Lernen sind nur über hochfrequentes Training, über ständige Wiederholungen zu erzielen. Das ist anstrengend, ermüdend und langweilig. Deshalb suchen Wissenschaftlerinnen, Ärztinnen, Therapeuten und Techniker schon seit Jahren nach immer neuen Methoden, in den Patientinnen und Patienten eine intrinsische Motivation zu wecken, sprich: Lust auf das Training zu machen, ohne dass es eine Therapeutin an ihrer Seite braucht, die sie anleitet und anfeuert.

Kameras und Sensoren nehmen die Bewegungen der Patienten auf und setzen sie in akustische Töne um

Einer von ihnen ist der Psychologe und Musiker Dr. Daniel Scholz von der Hochschule für Musikphysiologie und Musikermedizin in Hannover. Scholz promovierte bei Prof. Eckart Altenmüller und führte mit ihm an der BDH-Klinik Hessisch Oldendorf, einer neurologischen Rehabilitationsklinik in Niedersachsen, ein Forschungsprojekt durch. Sie verknüpften das motorische Armtraining mit Klangerzeugung.

Die Wissenschaftler konstruierten einen würfelförmigen Raum, in dem Schlaganfall-Patientinnen und Patienten ihren gelähmten Arm trainieren können. Kameras und Sensoren nehmen die Bewegungen der Patienten auf und setzen sie in akustische Töne um. So entsteht mit jeder Bewegung eine Klangfolge – mal mehr, mal weniger melodisch. In der Umsetzung wurden sie technisch unterstützt durch Sound-Design- Studierende aus Berlin.

Daniel Scholz demonstriert das Armtraining mit Klangerzeugung.

Patienten werden bei den Übungen begleitet

Doktoranden begleiteten die Patienten bei den Übungen und stellten ihnen Aufgaben, zum Beispiel das einfache Spielen einer Tonleiter. „Das Highlight am Ende jeder Session war meist das Spielen einer kleinen Melodie“, berichtet Daniel Scholz. Gerade Patientinnen und Patienten, die sich selbst für unmusikalisch hielten und der Methode eher skeptisch gegenüberstanden, fanden Spaß an diesem „Sonifikationstraining“. Für sie war die Erfahrung, selbst Musik machen zu können, neu. Scholz: „Sie gingen zum Teil deutlich über ihre körperlichen Grenzen hinaus. Einige Patienten haben uns erzählt, wenn sie dieselben Übungen zu Hause ohne Musik machen, können sie den Arm nicht so hoch heben.“

Testverfahren belegten, dass sich Patienten in der Zeit motorisch verbessert hatten

Durch die „richtige“ Bewegung des Arms melodische Klänge zu erzeugen, auch altbekannte und lieb gewonnene Melodien, scheint den Patientinnen und Patienten Erfolgserlebnisse zu verschaffen. Diese Glücksgefühle spornen an, sich noch mehr anzustrengen. Was ohne Klang eine Qual wäre, macht durch die Melodien plötzlich Spaß. Drei Wochen lang trainierten die Patienten täglich 30 Minuten mit der Methode. Die anschließenden Testverfahren belegten, dass sie sich in der Zeit motorisch verbessert hatten.