Ein sensomotorischer Handschuh bewegt die Finger, nimmt aber auch die Bewegungen des Patienten auf und bildet sie auf einem Bildschirm ab
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Nicht nur, aber auch Technik. Erfolgsfaktoren der Arm-Rehabilitation

Intensives robotikgestütztes Training, kombiniert mit klassischen Methoden und Eigentraining des Patienten - das sind für Ullrich Thiel die wesentlichen Erfolgsfaktoren der Arm-Rehabilitation.

Robotik in der Nachsorge ist neu

2012 gründete der Physiotherapeut mit seinem Partner Jörn Hellmuth die Praxis für Sensomotorik und Rehabilitation in Potsdam. Ihre jahrelange klinische Erfahrung wollten die beiden in die ambulante Therapie einbringen. Das Besondere an ihrem Konzept: Als eine der ganz wenigen Praxen in Deutschland setzen sie neueste, robotikgestützte Therapiegeräte ein.Damit sind sie moderner ausgestattet als viele Rehakliniken. Thiel und Hellmuth gehen ein finanzielles Risiko ein. Die Investitionen sind hoch, die Kassen refinanzieren das nicht. Für neue Techniken liegen aus Sicht der Kostenträger oft noch keine ausreichenden Wirkungsnachweise vor. Denn wissenschaftlich fundierte Leitlinien für die Therapie, die aus Thiels Sicht richtig und wichtig sind, haben eine Schwäche: Sie hinken der technischen Entwicklung hinterher. Robotik für die Finger-Rehabilitation etwa kommt in den Leitlinien noch nicht vor.

Jetzt auch für die Finger

50 Prozent der Patienten in der Praxis Hellmuth & Thiel haben einen Schlaganfall erlitten. Neben der Gang-Rehabilitation geht es bei ihnen darum, die Funktionen des geschädigten Arms und der Hand wiederherzustellen. Dafür setzt Thiel in seiner Praxis erfolgreich den GLOREHA ein. Dieser sensomotorische Handschuh bewegt die Finger, nimmt aber auch die Bewegungen des Patienten auf und bildet sie auf einem Bildschirm ab. Arm und Handfläche bleiben frei, sodass der Patient nach Gegenständen greifen kann.

Auf einem Video hat Thiel den Fortschritt eines Patienten festgehalten, der mit einer komplett gelähmten Hand in die Praxis kam und nach vier Monaten wieder Dinge kontrolliert greifen konnte. „Arm-Rehabilitation braucht intensives Training, damit der Patient weiterkommt", sagt Thiel. Deshalb setzt er auf Robotik, weil sie die notwendige Frequenz schaffe. Mit Robotik-Training allein sei es aber nicht getan. Es braucht ergänzend ein intensives Eigentraining.

Kassen tun sich noch schwer

Die wenigsten Patienten sind finanziell in der Lage, sich komplexe therapeutische Geräte für den Heimgebrauch anzuschaffen. Für sie gibt es einfache, wirkungsvolle und kostengünstige Übungssets aus der klassischen Ergotherapie. Mit diesen Geräten, einem Aufgabenkatalog und einem Hausaufgabenheft ausgestattet, überbrücken die Patienten die Intervalle zwischen den Therapie-Einheiten. Ullrich Thiel ist sich sicher, in der Arm-Rehabilitation wäre viel mehr zu erreichen. Neue Reha-Techniken würden von den Kassen häufig abgelehnt mit dem Hinweis, dass ein Beweis für die Wirksamkeit fehle. Aber wie könne man, so fragt er, solche Beweise liefern, wenn die Therapien nicht refinanziert würden. Vom Begriff „austherapiert" hält er nicht viel. „Wir haben natürlich Patienten, die machen keine Fortschritte mehr", sagt er. „Da geht es darum, den Status quo zu erhalten, was auch wichtig ist. Aber viele Patienten haben Potenziale, die sie noch gar nicht abrufen konnten. Das Gehirn lernt ein Leben lang."