Es ist noch nicht lange her, da spielte selbst das Laufband in der Gangrehabilitation von Schlaganfall- Patienten noch keine Rolle. Gehen üben bedeutete, ein, zwei oder drei Therapeuten arbeiteten an einem Patienten, der dann mühsam und mit großer Unterstützung wenige Schritte machte. Große Fortschritte waren oft nicht zu erkennen. Inzwischen gibt es moderne Roboter, die Patienten auf die Beine helfen und ihre Therapeuten deutlich entlasten.
Lokomat als Prototyp
Die VAMED Klinik Hattingen war 2007 die erste Rehaklinik in Nordrhein-Westfalen, die sich einen Lokomat anschaffte. Der Prototyp aller modernen Gangroboter wurde in der Schweiz entwickelt. Er führt alle Gelenke der unteren Extremitäten. „Deshalb ist der Lokomat für uns das richtige Gerät, wir behandeln in unserer Klinik traditionell sehr schwer betroffene Patienten“, erklärt Therapieleiter Michael Klein.
Inzwischen hat die Klinik einen zweiten Lokomat gekauft. Die Investition ist immens, rund eine halbe Million Euro kostet so ein Gerät. Die Therapie ist aufwendig. Die Rüstzeit, bis es mit dem Training losgehen kann, beträgt etwa 15 Minuten, das „Entrüsten“ noch einmal fünf. „Dafür bleibt der Patient nach Möglichkeit aber 30 Minuten im Gerät“, sagt Klein. Etwa 2.000 Schritte sollte er machen, denn nur die hohe Wiederholungsrate bringt den Lerneffekt. Die nächste Stufe ist dann das Laufband. „Schafft es der Patient, darauf zwei bis vier Minuten eigenständig zu gehen, wechselt er“, so Klein.
Studienlage ist gut
„Die aktuelle Studienlage hinsichtlich Gangrobotern in der neurologischen Rehabilitation nach Schlaganfall ist insgesamt sehr gut“, sagt Prof. Jan Mehrholz, Studiengangsleiter Neurorehabilitation an der SRH Hochschule für Gesundheit in Gera. Man unterscheidet zwei Ansätze bei Gangrobotern. Stationäre Exoskelette wie der Lokomat führen die gesamte untere Extremität. Dem gegenüber stehen sogenannte Endeffektor-Geräte wie die Lyra, sie führen lediglich den Fuß. „Hinsichtlich des Wiedererreichens der Gehfähigkeit gibt es keine Unterschiede“, sagt Mehrholz. „Auch schwer betroffene Patienten können sowohl mit einem Exoskelett als auch mit einem Endeffektor-Gerät sinnvoll behandelt werden.“
Unterschiede offenbaren sich aber im weiteren Verlauf der Rehabilitation, wenn es um die Verbesserung von Gehgeschwindigkeit und Ausdauer geht. In diesem Bereich schneiden in indirekten Vergleichen die Endeffektor-Geräte besser ab, „das heißt, Patienten nach Schlaganfall können nach einer Behandlung mit Endeffektor-Geräten deutlich schneller und länger gehen“, erläutert Mehrholz.
Rüstzeiten beachten
Die Praxis Lamprecht in Kirchheim unter Teck hat sich früh auf die Rehabilitation neurologischer Patienten spezialisiert und das Potenzial von Technik erkannt. Seit rund acht Jahren arbeiten Sabine Lamprecht und ihr Team mit dem Gangtrainer Lyra. „Wir waren gleich von dem Gerät überzeugt“, berichtet die erfahrene Physiotherapeutin, Autorin und Dozentin.
Sabine Lamprecht sieht auch praktische Vorteile in der Lyra. „Die Rüstzeit ist wesentlich kürzer. Für Patienten und Therapeuten bleibt dadurch mehr Übungszeit.“ Außerdem lasse sich die Gehgeschwindigkeit besser trainieren, bestätigt sie die Studienergebnisse. Bis zu vier Kilometer pro Stunde lasse die Maschine zu. Das entspricht annähernd dem Gang eines gesunden Menschen.
Gehen im Raum
Die jüngste Generation der Gangroboter sind die mobilen Exoskelette, die sich Patienten quasi „anziehen“ und mit ihnen umhergehen. Für sie gibt es „bislang wenig Studien zu Trainingseffekten und auch noch kaum wissenschaftliche Evidenz zur Verbesserung von Gangparametern“, weiß Neuroreha-Experte Jan Mehrholz. Im Röhn-Klinikum Campus Bad Neustadt investierte man in die neue Technik. Eine Lyra hatte die Klinik schon lange im Einsatz, ergänzend kam mit dem Indego ein mobiles Exoskelett hinzu. „Unsere Erfahrungen damit sind durchweg positiv“, sagt Therapieleiter Jürgen Steiner.
Patienten, bei denen die Gehfähigkeit erst noch hergestellt werden muss, starten in Bad Neustadt mit der Lyra. Wer schon eine gewisse Gehfähigkeit hat, trainiert mit dem Exoskelett. Steiner sieht in ihm auch einen psychologischen Effekt: „Die Patienten bewegen sich stehend im Raum, das ist ein Erfolgserlebnis.“
Erfolge auch später noch möglich
Die größten Fortschritte beim Training mit den Robotern ergeben sich in den ersten drei Monaten nach dem Schlaganfall. Allerdings gebe es auch Studien, die Erfolge zu einem späteren Zeitpunkt belegen, weiß Experte Jan Mehrholz. Und noch bedeutsamer als der Zeitpunkt des Trainings sei die Schwere der Behinderung. „Alle unsere Analysen deuten darauf hin, dass vor allem die schwer betroffenen Patienten, die gar nicht gehen oder zum Teil noch nicht einmal sitzen können, von dieser Technologie profitieren.“
Patienten, die bereits einige Meter weitgehend alleine unter Aufsicht gehen könnten, profitierten wohl eher nicht von dieser teuren Technologie. Das ist im Prinzip eine gute Botschaft, denn sie bedeutet: Die meisten Patienten in der ambulanten Rehabilitation sind nicht mehr darauf angewiesen. Sie machen besser auf dem Laufband ihre nächsten Schritte. Vorausgesetzt, ihre Physiotherapie-Praxis verfügt über eines. Darauf sollten Patienten tatsächlich achten.