Schlaganfall-Lotsen

"Es geht politisch voran"

Erstmals seit Pandemiebeginn traf sich das Netzwerk der Schlaganfall-Hilfe wieder zur Lotsen-Tagung Schlaganfall in Gütersloh. Einhelliger Tenor der Veranstaltung: OWL etabliert sich als Vorreiterregion für Patientenlotsen.

Bundes-Patientenbeauftragter für Lotsen

Stefan Schwartze, Patientenbeauftragter der Bundesregierung, bezog in seinem Grußwort zur Tagung eindeutig Stellung für die Einführung von Patientenlotsen. „Der Nutzen von Patientenlotsen im konkreten Versorgungsgeschehen scheint nicht nur naheliegend, sondern auch ethisch geboten“, sagte der Vlothoer, „denn meines Erachtens können Patientenlotsen einen wichtigen Beitrag dazu leisten, sowohl die Bedarfsgerechtigkeit als auch die Behandlungsergebnisse und damit die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern.“ Die Bundesregierung hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung zum Ziel gesetzt, Patientenlotsen in Deutschland in die Regelversorgung zu überführen. Dass auch die Bezirksregierung Detmold den weiteren Ausbau von Patientenlotsen in Ostwestfalen-Lippe unterstützend begleitend wird, unterstrich Lutz Kunz, Abteilungsleiter für Umwelt und Arbeitsschutz, der in Vertretung kam für die neuangetretene Regierungspräsidentin Anna Katharina Bölling. „Die Kümmerer-Thematik ist für die Regionalentwicklung Ostwestfalen-Lippe von besonderer Bedeutung“, betonte Kunz. 

Uni Bielefeld wertet Modellprojekt aus

1.600 Schlaganfall-Patientinnen und -Patienten wurden in der Modellregion Ostwestfalen-Lippe ein Jahr lang durch die Schlaganfall-Lotsen der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe begleitet. Gefördert wurde das Modellprojekt STROKE OWL durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Auf der „Lotsen-Tagung Schlaganfall“ in Gütersloh gewährte die Universität Bielefeld jetzt erste Einblicke in die Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Begleitforschung.

Erste Ergebnisse zeigen Potenziale

„Die Schlaganfall-Lotsen liefern offenbar einen sinnvollen Beitrag im Rahmen einer umfassenden Sekundärprophylaxe“, heißt es in einer ersten Übersichtspräsentation. Eine wichtige Aufgabe der Lotsen ist es, Patienten in der Einnahme ihrer Medikamente und bei der Umstellung ihres Lebensstils zu unterstützen, um einen weiteren Schlaganfall zu verhindern. Messbare Effekte zeigten sich auch in der Betreuung von Patienten mit leichten Schlaganfällen, sogenannte TIAs. Bei diesen transitorisch-ischämischen Attacken bilden sich die Schlaganfall-Symptome nach kurzer Zeit zurück, die Patienten haben jedoch ein hohes Risiko für ein Rezidiv, einen wiederholten Schlaganfall. Hier sei die „Tendenz zur Verhinderung von Rezidiven durch die Intervention erkennbar“, so die erste Auswertung. Die Bielefelder Gesundheitsökonomen verglichen die Patientinnen und Patienten, die durch Lotsen begleitet wurden, mit Patientengruppen aus anderen Regionen in Nordrhein-Westfalen. Die anonymisierten Daten dazu lieferten die am Projekt beteiligten Krankenkassen.

Leisten eine wertvollen Beitrag zur Nachsorge von Schlaganfall-Patienten in Ostwestfalen-Lippe: Die Schlaganfall-Lotsen des Projekts STROKE OWL.

Weitere Forschung ist noch notwendig

Über alle Patientengruppen hinweg ließ sich der positive Effekt hinsichtlich der Rezidive und der Sterblichkeit noch nicht nachweisen. Ein möglicher Grund: die untersuchten Patientengruppen waren im Vergleich zu den meisten Schlaganfall-Betroffenen deutlich gesünder, so dass hier von vornherein nur geringe Verbesserungen möglich waren. Auch die untersuchte Zeitspanne verringert die Aussagekraft der Ergebnisse erheblich. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie geht davon aus, dass innerhalb von fünf Jahren jeder fünfte Schlaganfall-Betroffene ein Rezidiv erleidet. Der Beobachtungszeitrum der Untersuchung umfasste jedoch nur ein bis zwei Jahre. Deshalb konnten sich die Bielefelder Begleitforscher nicht zur Empfehlung einer umfassenden Übernahme des Konzeptes in die Regelversorgung durchringen. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchung standen ökonomische Aspekte, die durch die Studie noch nicht nachweisbar waren. Dass die selbst empfundene Lebensqualität der durch Lotsen betreuten Patienten nach einjähriger Betreuung fast wieder auf dem ursprünglichen Niveau lag, spielte in dieser Betrachtung nur eine untergeordnete Rolle. „Diese positiven Aspekte gilt es noch stärker in den Blick zu nehmen. Aber insgesamt können wir mit diesen Forschungsergebnissen gut leben“, kommentiert Dr. Michael Brinkmeier, Vorstand der Deutschen Schlaganfall-Hilfe, die erste Auswertung. „Gerade was die Langzeiteffekte betrifft, streben wir noch konkretere Ergebnisse an. Aber die Grundlinie ist entschieden: Das Lotsenprinzip funktioniert, und es funktioniert gut und es geht politisch voran.“

Neues Projekt soll Politik unterstützen

Fraglich ist zurzeit noch, wie eine Überführung in die Regelversorgung genau aussehen kann. Hier will die Deutsche Schlaganfall-Hilfe die Politik konkret unterstützen. Brinkmeier kündigte zum Abschluss der Tagung ein neues Projekt an. LEX LOTSEN OWL, so der Name des Projekts, soll modellhaft in der Region Ostwestfalen-Lippe erproben, wie der Einsatz von Patientenlotsen künftig organisiert werden kann. Dafür hat die Stiftung die volle Unterstützung der OWL-Kreise und der Stadt Bielefeld sowie der Krankenkassen, die Projektpartner sind. Innerhalb von drei Jahren sollen in den Kreisen und Städten der Region verschiedene Organisationsmodelle erprobt werden. Denn am Ende wird es um Fragen gehen wie: Wo sind die Patientenlotsen angestellt? Wer verordnet und wer steuert ihren Einsatz? Wie werden ihre Leistungen abgerechnet? Im Modellprojekt sollen neben Schlaganfall- auch Cardio-Lotsen zum Einsatz kommen, denn Patientenlotsen sollen künftig alle Patienten mit komplexen Problemlagen begleiten können. „Wir werden zur Halbzeit des Projektes die Erfahrungen zusammenfassen und der Politik noch in dieser Legislaturperiode einen konkreten Vorschlag für ein Gesetz machen“, kündigte Brinkmeier an.

Patientenlotsen in Deutschland

Im Auftrag des Bundes führte die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe gemeinsam mit Krankenkassen und Kliniken das Modellprojekt STROKE OWL durch. Dabei betreuten 17 Schlaganfall-Lotsen in Ostwestfalen-Lippe insgesamt 1.600 Schlaganfall-Patientinnen und -Patienten ein Jahr nach ihrem Schlaganfall. Sie koordinierten Behandlungen, unterstützten bei Anträgen, berieten und motivierten Betroffene und ihre Angehörigen und achteten auf deren Medikation und Lebensstil. Patientenbefragungen zeugen von einer hohen Zufriedenheit. In der Modellregion OWL übernehmen die Krankenkassen derzeit die Kosten für die Lotsen. 

Die Deutsche Schlaganfall-Hilfe ist vernetzt mit zahlreichen Lotsenprojekte in Deutschland Nach einer Zählung des Bundesverbandes Managed Care (BMC) werden bereits heute rund 75.000 Patientinnen und Patienten in zahlreichen Projekten durch Lotsen betreut. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung zum Ziel gesetzt, Patientenlotsen in Deutschland in die Regelversorgung zu überführen.