24. April 2022. Kurz vor 11 Uhr. Aufgeregt, motiviert und emotional aufgewühlt steht João Candeias am Hermanns-Denkmal in Detmold. In wenigen Minuten ertönt der Startschuss für den 50. Hermannslauf. Tausende Gedanken schwirren ihm durch den Kopf. Sein Ziel hat er trotzdem klar vor Augen: die Sparrenburg in Bielefeld. Bevor er losläuft, schnallt sich der 52-jährige Personaltrainer noch schnell eine Gewichts-Weste um. Sechs Kilo extra wird er auf der knapp 31 Kilometer langen Strecke auf den Rippen tragen.
Schicksalsschlag in der Familie
Rückblick: Im August 2014 verbringt der Bielefelder seinen Urlaub bei den Eltern in Portugal. Ein Urlaub, den er nie wieder vergisst. "Früh morgens kam mein Vater in mein Zimmer und meinte zu mir: Mama geht es nicht gut". Als João das Schlafzimmer seiner Eltern betritt, traut er seinen Augen nicht. Seine Mutter liegt auf dem Bett, kann sich nicht bewegen und stammelt. "Als ich sie sah, riefen wir sofort den Krankenwagen", erinnert sich João. Dann geht plötzlich alles ganz schnell. Seine Mutter wird in ein örtliches Krankenhaus eingeliefert. Dort erhalten Vater und Sohn die Schock-Diagnose – Schlaganfall. Dem Fitnesstrainer reißt es den Boden unter den Füßen weg. "Ich konnte damit überhaupt nicht umgehen", gibt er rückblickend zu. Seine Mutter bleibt mehrere Wochen im Krankenhaus. Für Vater und Sohn eine ungewisse Zeit zwischen Hoffen, Bangen und Zuversicht. "Ich habe natürlich immer gehofft, dass es noch besser wird", erzählt der Bielefelder. Besuchen darf sie zu dieser Zeit nur ihr Ehemann. Keine leichte Situation für Candeias - "Mich hat das alles sehr mitgenommen". Das Schlimmste aber: Noch während seine Mutter im Krankenhaus liegt, muss er wieder nach Deutschland. Sein Vater bleibt allein zurück.
"Anderthalb Monate nach dem Schlaganfall wurde meine Mutter aus dem Krankenhaus entlassen", berichtet João. Ihr Zustand verbessert sich während der Zeit dort keinen Deut. Für Candeias ist die Entlassung seiner Mutter daher unverständlich: "Ich dachte mir: Das kann doch nicht sein". Sein damals 75-jähriger Vater ist mit der Situation völlig überfordert. Denn seine Mutter wird, anders als in Deutschland, nicht ein Rehazentrum gebracht, sondern direkt nach Hause. Sein Vater ist auf diese Situation nicht vorbereitet. "Er hatte keine Pflegekraft und kein Krankenbett. Er musste alles mühselig organisieren", erklärt João. Eine Nachbarin und seine Cousine kümmern sich anfangs um seine Mutter, bis zwei Pflegerinnen die Betreuung übernehmen. Im Dezember dann die freudige Nachricht: Joãos Mutter kommt in ein Pflegeheim. "Als mein Vater mich damals anrief, um mir das zu sagen, bin ich Tränen ausgebrochen", erinnert er sich.
Eine Herzensangelegenheit
"All 4 Mum" (Alles für Mama) steht auf seiner Gewichts-Weste. Nicht ohne Grund: "Das Motto begleitet mich als eine Art Gedenken an meine Mutter", erklärt João heute. Denn im November 2018 verstirbt sie. Heute sagt der 52-Jährige: "Meine Mutter ist meine größte Motivation, bei allen sportlichen Aktivitäten. In diesen Momenten laufe ich für sie". Gleichzeitig ist ihr Schicksal auch der Grund für seine Spendenaktion für die Schlaganfall-Hilfe. "Als meine Mutter ihren Schlaganfall erlitt, waren mein Vater und ich völlig überfordert und brauchten Hilfe in dieser schwierigen Situation. Die Unterstützung der Schlaganfall-Hilfe hilft Menschen, die sich in der gleichen Situation befinden", erklärt er.
Die Idee für den Slogan und den Spendenlauf reifen bei dem Bielefelder über die Jahre hinweg. "Eines Tages entstand der Slogan "All 4 Mum" und die Idee für den Lauf mit der Weste zum 50. Jubiläum des Hermanns", erklärt er und fügt an: "Meine damit verbundene Spendenaktion war irgendwann ein unglaublicher Selbstläufer". Unzählige Menschen spenden auf Facebook, die Summe steigt fast täglich. Dass es der Hermannslauf wird, hätte man sich denken können. Der Fitness-Coach läuft ihn schon zum 21. Mal. Mit seiner Teilnahme möchte João Candeias Spenden für die Schlaganfall-Hilfe sammeln und eine wichtige Nachricht vermitteln: "Man sollte dankbar dafür sein, dass man gesund ist, denn das vergessen viele häufig. Durch das Schicksal meiner Mutter wurde mir das deutlich vor Augen geführt", erklärt er. Gleichzeitig möchte João mit seiner Aktion andere motivieren, die eigene Komfortzone zu verlassen und an die zu denken, die diese Möglichkeit nicht mehr haben. Denn er ist überzeugt: "Grenzen fangen im Kopf an".
Große Spenden-Summe für die Schlaganfall-Hilfe
Um 13:54, nach 2 Std. 54 Minuten heißt es endlich: Zieleinlauf. João hat die 31,1 Kilometer mit sechs Kilo zusätzlich auf den Schultern bezwungen. "Im Ziel war ich einfach nur happy und sehr ergriffen", erzählt er. Die Resonanz für seine Aktion ist während des Laufs unglaublich groß. "Mit meiner Weste fiel ich natürlich auf", berichtet er. Jede Menge Zuschauer erkennen ihn und feuern ihn an. Viele sprechen den Bielefelder auch auf seine Aktion an und was es damit auf sich hat. Knapp 4.000 Euro kommen am Ende seiner Spendenaktion zusammen. Ein Riesenerfolg, mit dem der Bielefelder nicht rechnete: "Die Spenden-Summe ist einfach nur unglaublich und Wahnsinn", sagt er gerührt. Und obwohl er mit seinem Engagement viele Menschen erreicht und auf der Straße angesprochen wird, bleibt er bescheiden. "Ich bin kein Held. Es reicht mir, wenn ich andere motiviere". Wir sind überzeugt, dass es das garantiert geschafft hat.
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