Wir helfen Menschen, die in kein Schema passen!

Schlaganfall mit Mitte 30 – Wir helfen Menschen, die in kein Schema passen!

Wir von der Schlaganfall-Hilfe erleben täglich, wie vielfältig die Schicksale junger Betroffener sind. Einige erleiden ihren Schlaganfall schon als Kind, andere trifft es mitten im Leben. Maria war zum Zeitpunkt ihres Schlaganfalls 35 Jahre alt. Das ist ihre Geschichte.

Maria war eine gesunde und sportliche junge Frau, die gerade erst ihr zehnjähriges Dienstjubiläum als Krankenschwester auf der onkologischen Station des Leipziger Diakonissenkrankenhauses gefeiert hatte. Doch ein Wochenende im August 2018 veränderte alles: Zur Einschulung ihres Großneffen war Maria zu Besuch in ihrer Heimatstadt Dessau. Während ihrer Joggingrunde am Sonntagmorgen brach sie plötzlich zusammen, wurde erst nach über einer Stunde von Passanten gefunden.

 

Angehörige in der Zerreißprobe: Kampf um Nähe und Unterstützung

Im Krankenhaus wurde dann klar: Maria hatte einen schweren Schlaganfall erlitten. Per Rettungshubschrauber wurde sie in die Uniklinik nach Magdeburg verlegt. Hier begannen die Behandlungen, unter anderem musste ihr ein Stück der Schädeldecke entfernt werden. Auch für ihre Angehörigen war die Situation eine enorme Belastung: Um ihr nahe zu sein, verbrachten Mutter und Bruder die ersten Nächte im Auto, bis sie ein Zimmer in einer Pension beziehen konnten. 

Auf die Unterstützung ihrer Mutter Marion konnte Maria auch weiterhin zählen. „Ich habe mir damals gesagt: Passiert ist passiert – jetzt müssen wir schauen, wie es weitergeht“, berichtet Marias Mutter. Ob Bücher oder Igelbälle – alles, was ihrer Tochter helfen könnte, brachte sie in die Klinik. Das Krankenzimmer dekorierte sie mit ausgedruckten Fotos. Am Wochenende versuchte sie mit passiver Bewegung, so gut wie möglich ihrer Tochter die Physiotherapie zu ersetzen. Auch auf ihren Freundeskreis kann Maria sich bis heute verlassen. Während ihrer ersten Reha waren ihre Freundinnen und Freunde sogar täglich zu Besuch.

Mutter Marion unterstützt ihre Tochter Maria wo sie kann

Rückschläge und Komplikationen

Der Weg zurück ins Leben war für Maria trotz aller Unterstützung steinig. Immer wieder hatte sie mit Rückschlägen zu kämpfen: So sorgte eines ihrer Medikamente für eine starke Gewichtszunahme. Auch die wiedereingesetzte Schädeldecke verursachte Komplikationen. Mehrere Operationen waren nötig. Schwierig gestaltete sich zudem die Suche nach einer geeigneten Wohnung. Die ursprüngliche Idee, in eine betreute Wohngemeinschaft gemeinsam mit anderen Menschen mit Beeinträchtigung zu ziehen, scheiterte in der Umsetzung. Alle freien Plätze stellten sich als ungeeignet für Maria heraus: In einer Wohngruppe wäre sie die einzige Frau gewesen, in einer anderen mit Abstand die jüngste Bewohnerin. Zum Glück fand Mutter Marion schließlich eine barrierefreie Wohnung in Dessau. Seit September 2020 wohnen Mutter und Tochter dort zusammen. 

 

Gemeinsam stark: Marias Teilnahme am Erfahrungsaustausch

Beeinträchtigt ist Maria durch ihren Schlaganfall auch heute noch: Auf der rechten Seite ist sie halbseitig gelähmt, ihr Sprachzentrum ist betroffen und ihr Gesichtsfeld ist auf der rechten Seite eingeschränkt. Doch seit ihrer letzten Operation macht sie gute Fortschritte – Schritt für Schritt geht es bergauf. Wie viel Maria schon erreicht hat, zeigte sich während des Erfahrungsaustauschs: Kein einziges Mal musste sie während der vier Tage ihren Rollstuhl nutzen, nur mithilfe ihres Gehstocks meisterte sie das Programm und stand am letzten Abend gemeinsam mit den anderen Teilnehmenden auf der Tanzfläche.



Liebe Leserin, lieber Leser,

an Schicksalen, wie dem von Maria erkennt man: Noch immer ist der Schlaganfall ein schlimmes Ereignis. Dennoch gibt es Erfreuliches zu berichten. In den vergangenen 30 Jahren konnten wir die Schlaganfall-Versorgung so sehr verbessern. Fast doppelt so viele Menschen überleben den Schlaganfall heute. Das sind großartige Erfolge, die man in diesen Zeiten nicht oft genug erwähnen kann!

 

Wir haben ein Gesundheitssystem, in dem alle Menschen Hilfe in Anspruch nehmen können. In dem Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten, Pflegekräfte und alle anderen Helfenden einen hohen Qualitätsanspruch haben. Krankenkassen vergüten diese Leistungen – zumindest in der Regel – nach festgelegten Sätzen, nach Katalogen und Diagnosegruppen. Wenn Millionen Menschen zusammenleben und sich um ihre Gesundheit sorgen, dann braucht es Standards – Vorgaben für die Therapie bestimmter Erkrankungen, für die Bezahlung von Leistungen, für die Qualität der Behandlung.

 

Wir können froh sein, solche Standards zu haben. In vielen anderen Teilen der Welt ist das nicht selbstverständlich. Doch wo Licht scheint, fällt auch Schatten. Wer nach Standards und Kategorien handelt, landet schnell im Schubladendenken. Das ist die große Gefahr in einem komplexen System: dass der Mensch zum „Fall“ wird. Und jeder Fall in ein Schema passen muss. Oft geht das gut, doch was wird aus jenen Menschen, die in kein Schema passen?

 

Kein Schlaganfall ist wie der andere, ebenso wie kein Mensch dem anderen gleicht. Viele Schlaganfall-Betroffene und ihre Angehörigen sind seit Jahren auf der Suche nach den notwendigen Hilfen. Sie haben einen besonderen Hilfebedarf, den übliche Hilfeangebote nicht abdecken. Sei es, weil sie besonders schwer betroffen sind, Nebenerkrankungen haben, Verhaltensauffälligkeiten entwickelt haben oder schlicht zu jung für ein Pflegeheim sind. Die Liste von Schlaganfall-Folgen, die in kein Schema passen, ließe sich verlängern.

 

Ich finde es bewundernswert, welche Entwicklung Maria nach ihrem schweren Schlaganfall gemacht hat. Ebenso vorbildlich finde ich das Engagement ihrer Mutter Marion, die seit Jahren für die Versorgung ihrer Tochter kämpft. Schlaganfall-Betroffene wie Maria benötigen unsere Unterstützung. Liebe Leserin, lieber Leser, wir helfen Menschen, auch wenn sie in kein Schema passen. Bitte unterstützen Sie uns mit einer Spende!

 

Herzlichen Dank.

Ihre Sylvia Strothotte

Bitte spenden Sie, damit wir helfen können