Neues aus der Wissenschaft: Wirksamer Therapie auf der Spur

An die Erfolge der motorischen Rehabilitation kommt die Rehabilitation bei schlaganfallbedingten Sprachstörungen (Aphasie) oft nicht heran. Ändert sich das durch einige neue Konzepte, die derzeit entwickelt werden?

Drei bis vier von zehn Patienten, die einen Schlaganfall überleben, haben danach Schwierigkeiten, sich sprachlich auszudrücken oder Sprache zu verstehen. Behandlung der Wahl für diese „Aphasie" ist die klassische logopädische Sprachtherapie. Die hat aber Grenzen: Bei der Hälfte der Patienten gelingt es nicht, die sprachlichen Defizite ganz zu beseitigen. 

Sprach-Apps zusätzlich zum logopädischen Trainingsprogramm

Kanadische Schlaganfall-Experten haben jetzt in der Machbarkeitsstudie „RecoverNow" untersucht, ob Sprach-Apps auf dem Tablet-PC zusätzlich zum normalen logopädischen Trainingsprogramm im klinischen Alltag eingesetzt werden könnten. Teilnehmer waren Patienten, mit denen zumindest eine gewisse Kommunikation möglich war. Ihnen wurde der Tablet-PC im Mittel am siebten Tag nach dem Schlaganfall in die Hand gedrückt. Aufgespielt waren ausschließlich kommerzielle Sprachtrainings-Apps, darunter die auch im deutschen Apple-Store erhältlichen Apps

  1. Constant mTherapy,
  2. Tactus und Lingraphica SmallTalk
  3. sowie die Sprachspielserie von Jay Bacal.

Für ihre Machbarkeitsstudie haben die Neurologen im Wesentlichen beobachtet, ob die Patienten das Gerät nutzten. Das war der Fall: Bis Ende des stationären Aufenthalts übten die Patienten im Durchschnitt (!) zweieinhalb Stunden pro Tag – zusätzlich zur sonstigen Therapie (Quelle: PLoS One 2016; 11:e0167950). Die kanadischen Experten sind verständlicherweise recht angetan von diesem Ergebnis. Der nächste Schritt ist jetzt eine Vergleichsstudie, die belegen soll, dass das intensivere, Tablet-gestützte Training mit besseren Rehabilitationsergebnissen einhergeht.

Brain-Computer-Interface - Verbessert die Therapie die Aufmerksamkeit?

Hoch spannend ist auch das, worüber Neurologen und Psychologen der Universität Würzburg und der Klinik Bad Kissingen derzeit nachdenken. Sie berichten über eine Machbarkeitsstudie zur Aphasie-Rehabilitation unter Einsatz eines sogenannten P300-basierten Brain-Computer-Interface (BCI).

Die Patienten bekommen dabei eine Art Badekappe auf den Kopf, die elektrische Signale am Schädel ableitet. Sie lernen, die Signale zu kontrollieren und können so zum Beispiel einen Cursor auf einem Bildschirm steuern. Bei Aphasie-Patienten nach Schlaganfall hoffen die Neurologen, dass das BCI-Training die Aufmerksamkeit der Patienten verbessert und auf diese Weise das Gehirn „aufnahmefähiger" für Sprachtherapien macht. Auch hierzu gibt es noch keine klinischen Ergebnisse. Aber die Franken konnten zumindest zeigen, dass sich BCI-Systeme so modifizieren lassen, dass sie bei Schlaganfall-Patienten einsetzbar sind (Quelle: Front Hum Neurosci 2016; 10:547).

Bei der melodische Intonationstherapie werden Laute und Wörter gesungen

Bereits klinisch eingesetzt wird die melodische Intonationstherapie, eine Form der Aphasie-Therapie, bei der Patienten unter Anleitung eines Therapeuten Laute und Wörter nicht sprechen, sondern singen. Dadurch, so die Idee, könnten Sprachzentren trainiert werden, die in der rechten Hemisphäre des Gehirns liegen. Das „normale" Sprachzentrum liegt links. Bei der 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation in Bonn zeigte Prof. Dr. Gottfried Schlaug aus Boston Beispiele für Patienten, die nach einem Schlaganfall kein Wort sprachen, nach 75 Sitzungen „Gesangsunterricht" aber wieder einen Wortschatz von mehreren Tausend Wörtern hatten. Kontrollierte Studien zu dieser Thematik sind bisher rar. Beim akuten Schlaganfall scheint das Verfahren besser zu funktionieren als bei chronischer Aphasie, zu der eine niederländische Arbeitsgruppe aktuell eine randomisierte Studie mit eher gemischten Ergebnissen publiziert hat (Quelle: Front Hum Neurosci 2016;10:533).

Fazit

Die Rehabilitation von Patienten mit Aphasie bleibt eine Herausforderung. Mit der melodischen Intonationstherapie machen Neurologen vor allem bei der Aphasie nach akutem Schlaganfall gute Erfahrungen. Trainingsprogramme auf dem Tablet-PC werden von Patienten gut angenommen, müssen aber noch besser evaluiert werden. Ob Brain-Computer-Interfaces künftig in die Aphasie-Therapie Einzug halten werden, ist offen.

(Quelle: Front Hum Neurosci 2016;10:533)