Ein Kribbeln im Kopf
Jede Sekunde hat sich in seinem Kopf eingebrannt. Es war ein Mittwoch gegen 17 Uhr. Mehmet Sirimsi und seine Frau waren gerade von der Arbeit nach Hause gekommen. Später abends wollte der Gastwirt zurück in sein Lokal, Freunde treffen. Vorher eben schnell duschen und gemeinsam mit seiner Frau etwas essen, mehr nicht. Doch als er aus der Dusche kommt, wird ihm plötzlich schlecht. „Ich bekam ein Kribbeln, als ob mir tausend Ameisen im Kopf wimmeln“, erinnert sich Sirimsi. Seine Frau bemerkt sofort, dass etwas nicht stimmt. Sie spricht ihn an. Doch der damals 43-Jährige kann sie nicht mehr hören. „Mein Mund wurden ganz trocken, meine Zunge klebte an meinem Gaumen fest.“ Mehmet Sirimsi verlangt nach einem Glas Wasser – helfen tut es nicht. Ihm wird speiübel. Bei jedem Schluck hat er das Gefühl, als schlage ihm jemand in den Nacken. Seine Stirn wird heiß, er bekommt extreme Kopfschmerzen. „Mich hat die Angst gepackt. Ich wusste nicht, was los ist“, gibt der Wiesbadener zu.
Seine Frau ruft den Krankenwagen. Blitzschnell sind die Rettungssanitäter in der Wohnung des Ehepaars. Seine Frau schildert die Symptome. Mehmet Sirimsi wird sofort in eine nahegelegene Klinik transportiert. An die Fahrt kann er sich nicht mehr erinnern. Die Erinnerung an die Zeit in der Klinik ist nur bruchstückhaft vorhanden.
Dem Tod von der Schippe gesprungen
In der Klinik wird umgehend ein MRT von Mehmet Sirimsis Schädel gemacht. Das ärztliche Personal vor Ort diagnostiziert drei Aneurysmen im Kopf. Eines der Aneurysmen ist geplatzt und verursacht eine Blutung im Gehirn. Den Ärztinnen und Ärzten bleibt nicht viel Zeit. Mehmet Sirimsi wird umgehend notoperiert. Über eine kleine Schädelöffnung auf der linken Seite kann das blutende Aneurysma erfolgreich verschlossen werden. Der Gastwirt scheint über den Berg. Zwei Tage später, aber erneut eine Hiobsbotschaft: Das Aneurysma auf der rechten Seite muss operiert werden. Erneut müssen die Ärzte um Sirimsis Leben kämpfen. „Sie haben nicht damit gerechnet, dass ich überlebe“, sagt er. Ihm wird der andere Teil der Schädeldecke entfernt und das Aneurysma verschlossen. Trotz erfolgreicher OP haben die Mediziner eine düstere Prognose. „Sie haben fest damit gerechnet, dass ich ein Schwerstpflegefall werde“, erzählt Sirimsi. 21 Tage verbringt er in der Klinik, acht davon auf der Intensivstation. Dem Tod ist er zweimal nur knapp von der Schippe gesprungen.
Zurück im Leben
Nach dem Krankenhaus beginnt für den zweifachen Familien-Vater eine schwierige Zeit. „Ich habe ständig geweint“, gibt er zu. Schlafen kann er nicht, Panikattacken bestimmen seinen Alltag in der Reha. Für seine Frau und die beiden gemeinsamen Söhne ist die Zeit ohne ihren Vater ebenfalls nicht leicht. „Es war jeden Tag jemand zu Besuch. Meine Familie hat sogar bei mir geschlafen – anders ging es nicht.“ Denn Mehmet Sirimsi plagt die Angst, dass ihn erneut der Schlag treffen könnte. „Auch heute habe ich immer noch hin und wieder Flashbacks. Doch ich bin in psychischer Behandlung und habe gelernt, damit umzugehen.“
Letztendlich hatte Mehmet Sirimsi viel Glück. Der Wiesbadener kämpft sich erfolgreich zurück ins Leben. Er geht regelmäßig ins Fitnessstudio, trifft Freunde und steht wieder täglich hinter der Theke seines Lokals. Seit seinem Schlaganfall kann der heute 51-Jährige nichts mehr riechen und schmecken. „Damit musste ich erst lernen, klarzukommen. Es nimmt einem schon ein großes Stück Freude und Lebensqualität“, erklärt er. Doch er ist froh, dass er noch lebt. Seine Ehe hat den Schlaganfall nicht überstanden. Eineinhalb Jahre nach dem Ereignis hat sich das Ehepaar scheiden lassen. „Es hat nicht mehr funktioniert“, gesteht Sirimsi.
Die Geschichte seiner Lebensrettung erzählt nun ein großes Tattoo auf seinem Rücken. Zum Dank hat er sich außerdem den Namen der Klinik auf seinen Unterarm tätowieren lassen. „Ich trage meine Tattoos mit Stolz. Vor allem aber aus Dankbarkeit gegenüber den Ärzten.“ „Danke für mein zweites Leben!“, sagt Mehmet Sirimsi.
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