Was ist Vorhofflimmern?
Vorhofflimmern ist eine Herzrhythmusstörung, die von den Vorhöfen des Herzens ausgeht. Normalerweise schlägt das Herz in seinem eigenen Takt – im Sinusrhythmus. Verantwortlich dafür ist der so genannte Sinusknoten. Vereinfacht gesagt sendet er elektrische Impulse an das gesamte Herz, damit es sich zusammenzieht und Blut durch den Körper pumpt. Der Sinusknoten ist somit der Taktgeber des Herzens. Bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern ist der normale Rhythmus gestört – es kommt zu ungeordneten elektrischen Impulsen, die in die Vorhöfe weitergeleitet werden. Der Herzschlag gerät aus dem Takt, er schlägt unregelmäßig und schnell. Das unregelmäßige Schlagen führt zu gestörten Blutströmungen im Herzen, wodurch sich Blutgerinnsel bilden können, die mit dem Blutstrom ins Gehirn gelangen. Dort besteht die Gefahr, dass sie eine Arterie verstopfen und einen Schlaganfall auslösen.
Das Tückische: Nicht alle Betroffenen spüren die Herzrhythmusstörungen. So kommt es vor, dass das Vorhofflimmern bei einigen lange unbemerkt bleibt. Je länger die Erkrankung unentdeckt bleibt, desto größer ist das Risiko für einen Schlaganfall. Vorhofflimmern gilt als die häufigste Herzrhythmusstörung in Deutschland. Rund 1,8 Millionen Menschen sind davon betroffen.
Blutverdünner nach Schlaganfall: Eine Herausforderung
Die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern nach einem Schlaganfall mit Gerinnungshemmern stellt Ärztinnen und Ärzte vor eine Herausforderung: Sie müssen zwei Risiken gegeneinander abwägen. In den ersten zwei Tagen nach dem Ereignis ist das Risiko für einen erneuten Schlaganfall besonders hoch. Man könnte also meinen, dass es sinnvoll wäre, mit einer gerinnungshemmenden Therapie zu beginnen, um einen erneuten Gefäßverschluss im Gehirn zu verhindern. Das Problem ist jedoch, dass alle Blutverdünner das allgemeine Blutungsrisiko erhöhen. Zudem ist das Hirngewebe nach einem Schlaganfall empfindlicher, so dass es leichter zu Einblutungen in das vom Schlaganfall betroffene Hirnareal kommen kann.
Laut Leitlinie liegt der optimale Zeitpunkt für die Behandlung bei der Mehrheit der Betroffenen zwischen 4 und 14 Tagen nach dem Schlaganfall. Der genaue Beginn sollte jedoch immer individuell festgelegt werden.
Früherer Therapiebeginn zahlt sich aus
Eine neue internationale Studie des Schlaganfallzentrums, Inselspital, Universitätsspital Bern und der Universität Bern kommt jetzt zum Schluss: Bei einem frühen Behandlungsbeginn ist das Risiko, einen weiteren Schlaganfall zu erleiden, geringer als bei einem späteren. Und das, ohne das Risiko für eine Hirnblutung zu erhöhen.
Insgesamt nahmen zwischen 2017 und 2022 mehr als 2.000 Patientinnen und Patienten aus 15 Ländern an der Studie teil. Je nach Größe und Ort des Schlaganfalls wurden die Teilnehmenden einem frühen oder späten Behandlungsbeginn zugeteilt.
Ein früher Beginn war definiert als
- innerhalb von 48 Stunden nach einem leichten/mittelschweren Schlaganfall oder
- an Tag 6-7 nach einem schweren Schlaganfall.
Eine Vergleichsgruppe erhielt die Therapie erst
- 3-4 Tage nach einem leichten Schlaganfall,
- 6-7 Tage nach einem mittelschweren Schlaganfall und
- 12-14 Tage nach einem schweren Schlaganfall.
In der frühbehandelten Gruppe erlitten 14, in der spät behandelten Gruppe 25 Personen innerhalb von 30 Tagen einen Folgeschlaganfall, nach 90 Tagen waren es 18 bzw. 30. Studienleiter Prof. Dr. med. Urs Fischer von den Universitätsspitälern Bern und Basel ist deshalb überzeugt: „Unsere Studie liefert wissenschaftliche Belege für ein häufiges Dilemma in der frühzeitigen Sekundärprävention nach einem ischämischen Schlaganfall. Angesichts unserer Ergebnisse ist ein früher Behandlungsbeginn sinnvoll.“
Eingeschränkte Empfehlung
Auch Prof. Dr. Götz Thomalla, Leiter der DGN-Kommission zerebrovaskuläre Erkrankungen äußert sich positiv: „Das Studienergebnis ermutigt dazu… eher frühzeitig zu beginnen.“ Gleichzeit warnt er davor, die Ergebnisse nicht überzubewerten. Denn „eine generelle Empfehlung für einen frühen Therapiebeginn lässt sich aus der Studie nicht ableiten“, so Thomalla. Die Ergebnisse könnten jedoch Ärztinnen und Ärzte ermutigen, bei Patientinnen und Patienten mit einem hohen Risiko für einen erneuten Schlaganfall frühzeitig mit der Behandlung mit Blutverdünnern zu beginnen.
Quelle:
Fischer U, Koga M, Strbian D et al.; ELAN Investigators. Early versus Later Anticoagulation for Stroke with Atrial Fibrillation. N Engl J Med. 2023 May 24. doi: 10.1056/NEJMoa2303048.
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