Auch längere Zeit nach dem Schlaganfall sind Fortschritte möglich

Auch längere Zeit nach dem Schlaganfall sind Fortschritte möglich

Wie es nach einem Schlaganfall weitergeht, dazu informierten Expertinnen und Experten der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe mit Unterstützung von Ipsen Pharma in der Sprechzeit.

Menschen, die einen Schlaganfall erleiden, werden zunächst in der Akutklinik versorgt, bevor sie eine mindestens dreiwöchige Reha beginnen. Wenn sie nach Hause zurückkehren, stehen sie vor der großen Herausforderung, ihr Leben neu zu organisieren. Je nach Schwere des Schlaganfalls gehören dazu neben der weiterführenden medizinischen Behandlung auch die Sicherstellung der finanziellen Versorgung, die Organisation einer pflegerischen Betreuung, in einigen Fällen auch der behindertengerechte Umbau des Wohnraums.

Die wichtigsten Fragen und Antworten aus der Sprechzeit im Überblick:

  • Übernimmt mein Hausarzt die Nachsorge nach einem Schlaganfall oder soll ich mich an Fachärzte wenden?

Dr. Martin Falkenberg: In der Regel sollte die Hausarztpraxis die weitere Versorgung übernehmen. Ist die Schlaganfall-Ursache noch nicht gefunden oder bestehen weiterhin neurologische Defizite, sollten Kardiologen oder Neurologen hinzugezogen werden.

 

  • Nach meinem Schlaganfall wurde bei mir ein Vorhofflimmern im Herzen festgestellt. Heißt das wirklich, dass ich lebenslang Medikamente einnehmen muss?

Dr. Martin Falkenberg: Es gibt weitere Behandlungsmöglichkeiten, die sogenannte Katheterablation oder eine Operation. Ob diese Optionen in Frage kommen, muss in einer Facharztpraxis für Kardiologie geklärt werden. Üblicherweise kommt man allerdings nicht um eine Dauermedikation herum, um einen weiteren Schlaganfall zu verhindern. Doch es gibt inzwischen gut verträgliche Medikamente.

 

  • Mein Vater wird in Kürze seine Reha nach einem Schlaganfall beenden. Wie finden wir jetzt die richtigen Therapeuten für ihn?

Anna Engel: Voraussetzung sollte sein, dass die Praxis Erfahrung in der Behandlung neurologischer Patienten hat. Für die Rehabilitation des Ganges sollte sie über ein Laufband verfügen. Gerätegestützte Therapie ist kein Muss, hilft aber auch in der Armrehabilitation. Und ganz wichtig: Die Chemie sollte stimmen. Schauen Sie sich die Praxis vorher an.

 

  • Manche Praxen oder Therapiezentren bieten so genannte Intensivtherapien an. Was ist davon zu halten?

Anna Engel: Studien haben erwiesen, dass man durch eine hohe Therapiedichte auch längere Zeit nach dem Schlaganfall noch Fortschritte machen kann. Allerdings übernehmen die Krankenkassen in der Regel nicht die Kosten dieser Intensivtherapien. Sprechen Sie mit der Praxis darüber, welche Möglichkeiten es gibt.

 

  • Trotz regelmäßiger Physiotherapie werden die Verkrampfungen meines Armes immer schlimmer. Was kann ich tun?

Dr. Frederic Mack: Es bleibt dabei, dass die Basistherapie aus Physio- und Ergotherapie unersetzlich ist. Möglicherweise kommt für Sie eine erneute Rehabilitation in Frage. Zusätzlich kann eine Versorgung mit Hilfsmitteln wie einer Orthese erfolgen. Auch die medikamentöse Behandlung, zum Beispiel die lokale Anwendung von Botulinumtoxin, sollte geprüft werden. Meist lassen sich durch ein multimodales Therapiekonzept noch signifikante Erfolge erzielen.

 

  • Cannabis soll jetzt legalisiert werden. Ich habe gelesen, es helfe auch bei Spastik. Stimmt das?

Dr. Frederic Mack: Für eine pauschale Beantwortung der Frage ist die Studienlage aktuell noch nicht ausreichend. Die Therapie mit Cannabinoiden ist ein spannender Ansatz und muss weiter geprüft werden. Generell sollte man immer neuen Therapieoptionen gegenüber offen sein, jedoch muss für eine Empfehlung auch die Evidenz ausreichend hoch sein.

 

  • Meine Hausärztin sagt, ich sollte mich mehr bewegen. Gibt es spezielle Angebote für Schlaganfall-Patienten?

Nadine Hunting: Grundsätzlich sollten Sie unabhängig von Angeboten darauf achten, sich ausreichend zu bewegen. Da können tägliche Spaziergänge schon ein guter Anfang sein. Für Schlaganfall-Patienten gibt es zusätzlich in vielen Regionen spezielle Rehasport-Gruppen. Rehasport wird vom Arzt verordnet und die Krankenkassen übernehmen nach vorheriger Genehmigung die Kosten. Nach Angeboten können Sie sich beim Deutschen Behindertensportverband e.V. oder bei den jeweiligen Landessportverbänden der Bundesländer erkundigen.

 

  • Mein LDL-Cholesterin ist zu hoch, mein Arzt will mir deshalb Medikamente verschreiben. Gibt es keine andere Möglichkeit?

Nadine Hunting: Ein gesunder Lebensstil ist immer die Basis der Behandlung von erhöhtem Cholesterin. Sie sollten auf eine gefäßgesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung achten. Bei genetisch bedingtem erhöhtem LDL-Wert kann es notwendig sein, zusätzlich Cholesterinsenker einzunehmen, weil der Lebensstil allein nicht zu einer ausreichenden Senkung des Cholesterinspiegels führt.

 

  • Mein Mann ist noch in der Reha – was müssen wir organisieren, bevor er nach Hause kommt?  

Gabi Neitz: Wichtig ist, zeitnah einen Termin beim Hausarzt zu machen. Sind weitere Therapien oder Hilfsmittel notwendig, sollten Sie schon jetzt Kontakt zu einer Praxis oder einem Sanitätshaus aufnehmen. Bei Wohnraumanpassungen helfen die kostenlosen Wohnberatungsstellen der Kommunen oder Kreise. Besprechen Sie all diese Fragen mit dem Sozialdienst in der Klinik.

 

  • Vor zwei Wochen bin ich aus der Reha gekommen. Wo kann ich mich über Möglichkeiten der Unterstützung beraten lassen?

Gabi Neitz: Medizinische oder therapeutische Fragen sollten Sie mit ihren Behandlern besprechen. Mit rechtlichen oder organisatorischen Fragen können Sie sich an Ihre Kranken-/Pflegeversicherung oder einen der Pflegestützpunkte oder Pflegeberatungsstellen Ihres Wohnortes wenden. Auch die Deutsche Schlaganfall-Hilfe unterstützt Sie sehr gerne.  Vielen hilft der Besuch einer Selbsthilfegruppe – dort erhält man wichtige Tipps. Informationen und Adressen finden Sie an dieser Stelle. 

 

  • Was genau ist die Aufgabe von Schlaganfall-Lotsen?

Gabi Neitz: Schlagfanfall-Lotsen beraten und begleiten Betroffene und ihre Angehörigen durch das erste Jahr nach ihrem Schlaganfall, bis sie in der Lage sind, ihre weitere Versorgung selbst zu organisieren. Sie achten darauf, dass Patienten in allen Lebensbereichen gut versorgt sind, vermitteln notwendige Hilfen und unterstützen bei der Prävention eines wiederholten Schlaganfalls.
 

  • Gibt es ein Schlaganfall-Lotsen-Projekt in meiner Nähe?

Gabi Neitz: Noch gibt es Lotsen nur in einzelnen Modellregionen. Informationen dazu finden Sie hier.  

 

  • Wer kann Unterstützung leisten, wenn kein Schlaganfall-Lotse verfügbar ist?

Gabi Neitz: Wo es keine Lotsen gibt, würde ich Patienten empfehlen, sich an den Pflegestützpunkt bzw. die Pflegeberatungsstelle ihres Wohnortes zu wenden. Auch ehrenamtliche Schlaganfall-Helfer oder Selbsthilfegruppen geben wertvolle Tipps. Allgemeine Beratung erhält man in den Partnerbüros der Schlaganfall-Hilfe. Für sozialrechtliche Beratung können wir den VdK, SoVD oder BDH empfehlen.

 

  • Vor sechs Monaten hatte ich einen Schlaganfall und bekomme jetzt zweimal die Woche ambulante Ergotherapie. Habe ich die Möglichkeit, häufiger Therapien zu erhalten?

Gabriele Reckord: Ergotherapie erfolgt abhängig vom jeweiligen Einzelfall auf ärztliche Verordnung, also immer nach dem individuellen Krankheitsbild und soweit der konkrete Bedarf nach Therapieform, Frequenz und Menge aus medizinischer Sicht sinnvoll und notwendig ist. Der Heilmittelkatalog gibt pro jeweiliger Ergotherapieform die orientierende Behandlungsmenge, Frequenz und Höchstverordnungsmenge pro Verordnungsfall vor. 

 

  • Meine Frau hatte vor zwei Jahren einen Schlaganfall. Mittlerweile macht sie kaum noch Fortschritte. Wie bekommen wir eine weitere stationäre Reha für sie?

Gabriele Reckord: Eine stationäre Reha wird auf Antrag beim Sozialleistungsträger bewilligt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Erstens: Die Rehafähigkeit – der Patient kann die Rehamaßnahme durchführen. Zweitens: Die Rehaprognose – das beabsichtigte Rehaziel wird in einem bestimmten Zeitraum erwartet. Dabei reicht die Erwartung, das Ziel muss nicht zwingend erreicht werden. Drittens muss die medizinische Notwendigkeit bestehen. Das heißt: Ambulante Maßnahmen reichen nicht aus, um das mit stationärer Reha verfolgte Ziel zu erreichen. Ein Arztbericht zum Antrag, der dies bestätigt, ist sinnvoll. 
 

 

Die Expertinnen und Experten in der Sprechzeit waren:

  • Anna Engel; Gesundheitswissenschaftlerin und Physiotherapeutin, Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, Gütersloh
  • Dr. med. Martin Falkenberg; Facharzt für Neurologie, Sozialmedizin, Verkehrsmedizin; Chefarzt am Zentrum für ambulante Rehabilitation Bielefeld
  • Nadine Hunting; Gesundheitswissenschaftlerin und Präventionsberaterin, Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, Gütersloh
  • Dr. med. Frederic Mack; Facharzt für Neurologie, MBA, Leitender Oberarzt GFO Kliniken Troisdorf
  • Gabriele Neitz; Schlaganfall-Lotsin, Pflegeberaterin, Klinikum Herford
  •  Gabriele Reckord; Fachanwältin für Medizinrecht und Familienrecht, Mediatorin, Gütersloh