Neues aus der Schlaganfall-Therapie

Neues aus der Schlaganfall-Therapie

Mehr als 7.000 Fachleute nahmen an der Neurowoche 2022 Anfang November in Berlin teil. Wir fassen interessante Neuigkeiten zum Schlaganfall zusammen.

„Blutverdünner“ auch für Ältere

Zur Vorbeugung eines wiederholten Schlaganfalls sollen Patientinnen und Patienten „Blutverdünner“ einnehmen. Seit wenigen Jahren gibt es eine neue Form dieser so genannten oralen Antikoagulanzien, NOAK abgekürzt. Bei älteren Menschen sind viele Hausärztinnen und -ärzte noch zurückhaltend in der Verschreibung, weil diese Medikamente gleichzeitig das Blutungsrisiko erhöhen, zum Beispiel bei Stürzen. Dr. Marlena Schnieder (Göttingen) aktuelle Studien vor, die die Empfehlungen aber noch einmal verstärken: Auch geriatrische Patientinnen und Patienten sollten die neuen „Blutverdünner“ einnehmen.

Großes Zeitfenster für die Thrombektomie

Seit wenigen Jahren steht bei großen Verschlüssen mit der Thrombektomie, der mechanischen Entfernung eines Blutgerinnsels, eine neue Therapiemethode zur Verfügung. Auch diese Methode sollte so früh wie möglich durchgeführt werden. Neue Hoffnung für viele Betroffene machen aber aktuelle Studienergebnisse, die Dr. Bastian Cheng (Hamburg) vorstellte. Demnach ist die Thrombektomie bis zu 24 Stunden nach dem Ereignis sicher und wirksam, sofern man durch spezielle Bildgebung die „richtigen“ Patientinnen und Patienten dafür findet.

Die Thrombektomie ist unter bestimmten Umständen bis zu 24 Stunden nach einem Schlaganfall wirksam.

Spastik-Betroffene nicht gut versorgt

Spastik-Patientinnen und -Patienten nach Schlaganfall sind in Deutschland oft nicht leitliniengerecht versorgt. Prof. Martin Schwab (Jena) fand heraus, dass nur 44 Prozent regelmäßig Physiotherapie und nur 25 Prozent Ergotherapie erhalten. Gerade einmal 1 Prozent erhält eine medikamentöse Therapie mit Botulinumtoxin. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Spastik in der Hälfte der Fälle durch Allgemeinmediziner diagnostiziert wird, die vermutlich häufig die modernen Leitlinien nicht kennen.

„Kopfarbeitende“ haben mehr Reserven

Dr. Roza Umarova (Bern) fand heraus, dass Menschen mit kognitiven Reserven bessere Prognosen nach einem Schlaganfall haben. Wer einem geistig anregenden Beruf nachgeht und sein Hirn auch in der Freizeit beschäftigt, hat langfristig tendenziell geringere Ausfälle zu beklagen. Umarova stellte fest, dass es hier Ähnlichkeiten zwischen dem Schlaganfall und der Demenz gibt.

Post-COVID wird zur Herausforderung

Interessanter Aspekt abseits des Schlaganfalls: Post-COVID könnte zu einer großen Herausforderung für unser Gesundheitssystem werden. „Da rollte eine Welle auf uns zu“, sagt Prof. Lars Timmermann von der Uniklinik Marburg. Nach vorsichtigen Schätzungen haben etwa 7 Prozent der COVID-Patienten ein Jahr nach der Infektion neurologische Defizite. Die gute Nachricht: Die Impfung kann dieses Risiko deutlich senken: Ungeimpfte hatten in einer Studie ein 2,5-fach höheres Risiko auf Post-COVID-Symptome als vollständig Geimpfte.

Mehr Kinder mit Schlaganfällen

Die Zahl der kindlichen Schlaganfälle nimmt weltweit zu, hat Prof. Maja Steinlin aus Zürich ermittelt. Schlaganfälle bei Kindern kämen sogar etwas häufiger vor als Hirntumore. Dennoch seien kindliche Krebserkrankungen in der Öffentlichkeit viel präsenter als Schlaganfälle, hier sei noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten.

Pflegende sollen gestärkt werden

Für Pflegefachkräfte auf Stroke Units (Schlaganfall-Spezialstationen) soll es eine neue Fach-Weiterbildung geben. Damit hoffen die Initiatoren, die Pflege in der Neurologie auch für Berufseinsteiger attraktiver zu machen. Gleichzeitig soll die Qualifikation zu einer weiteren Verbesserung der Versorgung beitragen. Gerade in der Neurologie komme es ganz besonders auf die interprofessionelle Zusammenarbeit an, erklärt Initiatorin Prof. Waltraud Pfeilschifter (Lüneburg).

Forschende untersuchen Netzwerke im Hirn

Spannende Erkenntnisse gibt es aus dem Bereich der Netzwerkforschung. Dabei geht es um die Frage, ob Ausfälle nach einem Schlaganfall allein auf eine lokale Schädigung im Gehirn zurückzuführen sind oder ob sie als Folge der Störung größerer Nerven-Netzwerke entstehen. Neue Methoden erlauben es immer genauer, einzelne Symptome einer Hirnregion zuzuweisen. So sind zum Beispiel Sprechstörungen häufiger die Folge einer Netzwerkstörung als nur einer lokalen Läsion. Mit dieser Methode wird man künftig Prognosen treffen können, welche Patientinnen und Patienten sich besser von einem Schlaganfall erholen und welche nicht.