Der "Grenzgänger"

Der "Grenzgänger"

Von Behringen aus hat sich Nicolai Welke auf den Weg in die weite Welt gemacht. Auf seiner Tour durch Deutschland und Europa warb er für mehr sozialen Frieden und sammelte Spenden für die Schlaganfall-Hilfe.

Nicolai Welkes Reise erinnert ein wenig an Jules Vernes Roman "In 80 Tagen um die Welt". Zwar ist der Behringer nicht um die Welt gereist und auch nicht mit einem Ballon, dafür aber mit Bus und Bahn durch neun europäische Staaten und zwölf Bundesländer. Nach 88 Tagen und mehr als 3.000 Kilometern stand er jetzt wieder auf heimischen Boden. Als ihn Ehefrau Caroline und Tochter Emma am Bahnhof im bescheidenen Örtchen Wintermoor in Empfang nahmen, strahlte er vor Freunde und sagte stolz: "Ich habe es geschafft“." 

Nach Schlaganfall gehandicapt

Selbstverständlich war die Reise des 53-Jährigen keineswegs. „Es gab viele, die mir anfangs davon abgeraten haben. Meine Frau hatte ebenfalls Bedenken“, erklärt er. Nicolai ist nach seinem Schlaganfall halbseitig gelähmt. „Der Schlag traf mich im November 2009“, erinnert sich Welke. Er war mit seinem Schwiegervater im Wald Holzhacken, als er urplötzlich bemerkte, dass etwas mit ihm nicht stimmte. „Meine Zunge war plötzlich pappig und mir ist die Säge aus der Hand gefallen“, berichtet er. Welke wusste in diesem Moment sofort, was mit ihm los war. „Ich habe meinem Schwiegervater gesagt, dass wir umgehend in ein Krankenhaus müssen“, erzählt er. Nicolai schaffte es noch selbst in die Notaufnahme zu gehen. Dort angekommen, machte er den Ärzten unmissverständlich klar, dass er einen Schlaganfall erlitten hat. Das medizinische Personal dort ließ ihn umgehend in das nähergelegene Klinikum Uelzen bringen. „Dort hat man festgestellt, dass ich eine Hirnembolie habe“, erzählt er. Innerhalb kürzester Zeit erhielt er die überlebenswichtige Behandlung.

Doch nach der Operation war Welke noch lange nicht über den Berg. Er lag ein Vierteljahr im Krankenhaus, zehn Tage sogar im künstlichen Koma. Und es sollte für Nicolai noch schlimmer werden: „Ich habe mich mit einem multiresistenten Keim, dem MRSA angesteckt“, erklärt er. Vier Wochen Quarantäne folgten. Eine schwierige Zeit für den Familienmensch. „Meine Tochter und meine Frau durften mich während der ganzen Zeit nicht besuchen“. Nach überstandener Infektion und unzähligen Wochen im Krankenhaus ging es für den damals 40-Jährigen in die Reha und den Rollstuhl. „Ich konnte anfangs wegen meiner Halbseitenlähmung nicht laufen“, erinnert er sich. Welke ließ sich davon aber nicht unterkriegen und kämpfte sich erfolgreich zurück. Inzwischen kann er wieder gehen, nur seine Fußheberschwäche und Gleichgewichtsstörungen machen ihm Probleme. In seinen gelernten Beruf als Außendienstmonteur im Heizungs- und Sanitärbereich konnte er nicht wieder zurück und ist Frührentner. „Ich habe zwar eine Wiedereingliederungsmaßnahme versucht, aber es hat nicht funktioniert“, bedauert er. Trotz der vielen Rückschläge ist Nicolai ein echtes Energiebündel geblieben und sagt von sich selbst: „Ich bin nicht der Typ, der sich im Selbstmitleid ergeht“.

Eine Reise für mehr sozialen Frieden und Miteinander

Seine Reise durch Europa hat der Niedersachse schon seit Mitte der 90er Jahre im Kopf. Zwischenzeitlich funkte das Schicksal zwischen seine Pläne. Doch losgelassen hat ihn sein Plan nie. „Ich wollte schon immer mehr von Deutschland und der Welt sehen“, erklärt Welke eines seiner vielen Motive für die Reise. Mit seiner Unternehmung erfüllte sich der Behringer nun einen Traum, der nicht ausschließlich touristische Gründe hatte, wie er zugibt: „Ich wollte der Reise einen Sinn geben. Deswegen wollte ich mich für ein soziales Deutschland und mehr Völkerverständigung einsetzen“. Denn in einer Zeit, in der vermehrt die Ellenbogen ausgefahren werden ist der Kassenprüfer des SoVD-Ortsverbands Behringen davon überzeugt, dass es eines größeren Miteinander bedarf und appelliert: „Wir sollten uns gegenseitig mehr helfen“.

Unter dem Namen „Grenzonaut“ konnten Interessierte ihn auf Schritt und Tritt auf seiner Reise für sozialen Frieden quer durch das Land und Europa verfolgen. „Ich habe Fotos und Berichte eingestellt und ein kleines Reisetagebuch geführt“, erklärt Welke. Für den Namen „Grenzonaut“, eine Mischung aus Grenze und Astronaut, habe er sich entschieden, weil er einerseits Grenzen überschritten habe, andererseits aber auch, „weil ich weit weg von Zuhause war“, erklärt er.

Überzeugt von der Arbeit der Schlaganfall-Hilfe

Verbunden hat er seinen Europa-Trip zudem mit einem Spendenaufruf für die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, denn er ist überzeugt von ihrer Arbeit. „Die Stiftung bewegt viel Gutes. Auf den Schlaganfall sollte viel mehr aufmerksam gemacht werden, denn die Erkrankung ist weit verbreitet. Zu viele denken immer noch, dass es bloß eine Alte-Leute-Krankheit ist“, sagt er.

Mit seiner Aktion wollte Nicolai nicht zuletzt ein Vorbild sein und aufzeigen, wie man sich nach einem Schicksalsschlag und mit körperlichen Einschränkungen selbst wieder voranbringt.

Eine Reise voller Höhepunkte

Unzählige Städte und Gemeinden hat Welke auf seiner Reise gesehen oder durchquert. Für das Highlight seiner Tour ging es hoch hinaus – und das im wahrsten Sinnes des Wortes. Mit dem Besuch der Zugspitze, dem Gipfel des höchsten Bergs Deutschlands, erfüllte sich der Behringer einen weiteren Traum. Zu seinen weiteren Höhepunkten der Reise zählt er den Besuch der Partnerorte von Behringen in der Schweiz, Luxemburg und in den Niederlanden. „Aber auch die Kurzvisite in Dänemark waren ein echtes Highlight“, erzählt er freudig. Ganz nebenbei hat er auf seiner Trip zahlreiche Kirchengemeinden und SoVD-Ortsverbände besucht. Sogar die Vizepräsidentin des Verbands, Ursula Engelen-Kefer, hat er getroffen. „Eine beeindruckende Frau“, sagt er über sie. Dem SoVD widmet Welke einen besonderen Dank, denn ohne die Unterstützung des Bundesverbands, der Land- sowie Ortsverbände, wäre diese Reise nicht möglich gewesen. Auch den vielen geistlichen Mitarbeitern und Mitgliedern der vielen evangelischen Kirchengemeinen, die der Grenzgänger besucht hat, gilt sein Dank. „Und zu guter Letzt auch der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe“, erklärt er.   

Trotz der spannenden Reise war der „Grenzonaut“ froh jetzt wieder in Behringen zu sein. „Irgendwann habe ich mir gedacht, es wird Zeit, dass du nach Hause kommst“, erzählt Nicolai. Darüber freuten sich vor allem Tochter Emma, Paulina und Ehefrau Caroline.