Patienten scheuten Klinik

Patienten scheuten Klinik

Viele Schlaganfall-Patienten mit leichteren Symptomen haben in der Pandemie aus Angst vor einer Covid-19-Ansteckung die Kliniken gemieden. Diese besorgniserregende Entwicklung belegt eine Auswertung der Uniklinik Bochum.

In der ersten Corona-Welle zwischen März und Mai 2020 ist die Zahl der Schlaganfall-Behandlungen in deutschen Kliniken drastisch gesunken. Dies ermittelte ein Forscherteam um Prof. Christos Krogias und Dr. Daniel Richter aus der Universitätsklinik für Neurologie im St. Josef-Hospital Bochum. Ausgewertet wurden die Daten 1463 deutscher Krankenhäuser.

Patienten im Krankenhaus erhielten dieselbe professionelle Behandlung wie vor der Corona-Krise

Die Zahl der behandelten akuten ischämischen Schlaganfälle (Gefäßverschluss im Gehirn) sank um 17 Prozent. Hirnblutungen gingen um 16 Prozent zurück und die kurzen Durchblutungsstörungen (TIA), bei denen der Patient nur vorübergehende Beschwerden spürt, gar um 22 Prozent. Dabei hat die Qualität der Schlaganfall-Behandlung nicht unter der Pandemie gelitten. „Patienten, die tatsächlich den Weg ins Krankenhaus gefunden haben, erfuhren dieselbe professionelle Behandlung wie vor der Corona-Krise“, erläutert Prof. Krogias. Er ist Ärztlicher Leiter der Schlaganfall-Station (Stroke Unit) im St. Josef-Hospital und Regionalbeauftragter der Schlaganfall-Hilfe.

Nicht in allen Ländern lief es gut

In anderen Ländern lief es nicht so gut, wie die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft feststellt, die gemeinsam mit der Schlaganfall-Hilfe die Stroke Units (Schlaganfall-Stationen) in Deutschland zertifziert. In verschiedenen europäischen Staaten, den USA und Kanada dauerte es im Frühjahrs-Lockdown im Vergleich zu früher im Durchschnitt eine Stunde länger, bis Schlaganfall-Patienten eine effektive Therapie erhielten. In den USA wurden deutlich weniger bildgebende Verfahren zur Schlaganfall-Diagnose durchgeführt.

Während der Pandemie wurden verhältnismäßig mehr Patienten mit schwereren Symptomen eingeliefert

Dass der Rückgang der Schlaganfall-Patientenzahlen auch in Deutschland nicht ohne Folgen bleiben konnte, zeigte der zeitgleiche Anstieg der Krankenhaussterblichkeit von Schlaganfall-Patienten im Beobachtungszeitraum. Die Autoren der Auswertung führen dies darauf zurück, dass während der Pandemie verhältnismäßig mehr Patienten mit schwereren Symptomen und somit schlechterer Prognose eingeliefert wurden.

Patienten mit Schlaganfall-Symptomen sollen umgehend die 112 anrufen

Die hohe Qualität der Versorgung bestätigt auch die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Allerdings können wir nur helfen, wenn Patienten mit Schlaganfall-Symptomen nicht zögern, sondern umgehend die 112 anrufen“, sagt Prof. Peter Berlitt, DGN-Generalsekretär. „Wir hoffen, dass dieser Appell in der Öffentlichkeit Gehör findet, damit es in der jetzigen Pandemiephase nicht wieder zu einer erhöhten Schlaganfall-Sterblichkeit kommt“.

Der Schlaganfall ist eine akute, lebensbedrohliche Krankheit, bei der jede Minute zählt. Als Grundregel gilt, dass die medikamentöse Auflösung des Gefäßverschlusses („Thrombolyse“) innerhalb von 4,5 Stunden nach Symptombeginn erfolgen sollte. Fakt ist aber: Je früher ein Gefäßverschluss wiedereröffnet wird, desto höher sind die Chancen auf vollständige Genesung. Je länger es hingegen dauert, bis Patienten medizinisch versorgt werden, desto höher ist das Risiko für Tod oder schwere, bleibende Behinderungen.

Studie zur Schlaganfall-Analyse in der Corona-Zeit

Die Bochumer Studie ist die erste bundesweite Schlaganfall-Analyse in der Corona-Zeit. Sie ist in Stroke veröffentlicht, der weltweit führenden Fachzeitschrift für die Schlaganfall-Medizin.