Viele Betroffene verschlechterten sich
In den letzten Monaten häuften sich die Anrufe besorgter Angehöriger im Service- und Beratungszentrum der Deutschen Schlaganfall-Hilfe. „Sie berichteten, dass sich der Zustand ihrer vom Schlaganfall betroffenen Angehörigen während der Pandemie deutlich verschlechtert habe“, sagt Nora Hermanns, Schlaganfall-Lotsin und Beraterin der Schlaganfall-Hilfe. Wenig soziale Kontakte, kaum Ansprache, teilweise weniger Therapien, all das ging einher mit weniger körperlicher Bewegung. „Betroffene, die vor Corona gut oder deutlich besser zurecht waren, haben in den letzten Monaten eine zunehmende Verschlechterung ihres Allgemeinzustandes gezeigt - körperlich, kognitiv und psychisch“, so Nora Hermanns.
Angehörige sollten Anregungen schaffen
Dr. Christoph Kley ist Regionalbeauftragter der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Der niedergelassene Neurologe aus Eitorf im Rhein-Sieg-Kreis macht in seiner Praxis ähnliche Erfahrungen. Ein Patentrezept gegen die Kontaktarmut und ihre Folgen kennt er nicht. Er rät Angehörigen von Schlaganfall-Betroffenen, in diesen Zeiten besonders kreativ zu sein, um die entstehenden Defizite zu kompensieren. Seine Tipps lauten: Gemeinsam Zeitung lesen, viel laut lesen, Geselligkeit herstellen, jetzt auch wieder vermehrt Begegnungen arrangieren, sofern das möglich sei. „Das A und O für den Kopf ist das Treffen mit anderen Menschen. Und wenn man nur über das Wetter redet, aber man redet.“ So werden Geist und Sprache wieder stärker angeregt, und auch die körperlichen Aktivitäten nehmen zu.
Ärztlichen und therapeutischen Rat einholen
Nora Hermanns gibt Anrufenden ergänzend oft den Rat, sich mit Hausarzt oder -ärztin in Verbindung zu setzen, um gemeinsam zu überlegen, welche individuellen Möglichkeiten der Mobilisierung es noch gibt. „Ähnliches gilt auch für das Gespräch mit den Therapeuten“, sagt die erfahrene Schlaganfall-Lotsin, die selbst gelernte Ergotherapeutin ist. „Man kann gemeinsam überlegen, was man verändern oder intensivieren könnte, zum Beispiel sich Eigenübungen zeigen lassen, einen Bewegungstrainer anschaffen oder die Therapiefrequenz erhöhen.“ Sinnvoll könnte es auch sein, die eigenen Therapeutinnen und Therapeuten zu vernetzen, damit eine gezielte Absprache der Therapieziele und -inhalte stattfinden kann.
Digitale Treffen nicht für alle gut
Unter den Kontaktbeschränkungen und den langen Lockdowns litt auch die Selbsthilfe. Vielerorts haben Gruppensprecher und -sprecherinnen kreativ versucht, die Kontakte nicht abbrechen zu lassen. Doch das gelang nicht überall. So berichtet Heinz Wolter (Königswinter), dass sich von 16 Mitgliedern lediglich fünf an seinen Videokonferenzen im Internet beteiligten. „Viele haben die technischen Ausstattungen nicht oder lehnen solche Treffen grundsätzlich ab, weil die persönliche Nähe fehlt“, erklärt Wolter. „Weil viele bereits jetzt den Kontakt zur Gruppe abreißen lassen, rechnen wir damit, dass uns ein Großteil der Mitglieder nach Corona verloren geht.“
Selbsthilfe so wichtig wie nie
Ein Grund mehr, gerade jetzt den Kontakt zu einer Gruppe zu suchen. Die Gruppen brauchen Mitglieder, und die Betroffenen brauchen den Austausch. Im Sommer haben viele Gruppen wieder zu ersten Präsenztreffen eingeladen. In einem Video erklären Gruppensprecherinnen und -sprecher aus ganz Deutschland, weshalb die Schlaganfall-Selbsthilfe gerade jetzt so wichtig ist.
Heinz Wolter hofft, dass viele Betroffene und Angehörige die Botschaft hören werden und auch die Gruppe im Rhein-Sieg-Kreis bald wieder regen Zulauf erhält.
Hier finden Sie ein Verzeichnis der Schlaganfall-Selbsthilfegruppen in Deutschland.
Die Motivation hochhalten
Ergotherapeutin Sabine Link aus Nürnberg entwickelte ein Coaching-Programm für Schlaganfall-Betroffene. Sie weiß, dass es auf Begleitung und Beratung, Motivation, Eigentraining und Erfolgserlebnisse ankommt. Von ihrem Coaching profitieren inzwischen auch über 500 Patientinnen und Patienten auf ihrer Facebook-Seite „Schlaganfall-Erfolgserlebnisse“. Einmal pro Woche bietet sie zusätzlich einen Video-Austausch zu wechselnden Themen an, an dem rund 20 Personen teilnehmen. „Montagsmotivation“ hat Sabine Link die Veranstaltung genannt. „Denn das ist das Wichtigste“, sagt die Therapeutin, „die Motivation hochzuhalten.“ Sabine Link ermuntert die Teilnehmer dazu, über ihre Fortschritte und Erfolge zu sprechen, zu schreiben und Bilder zu posten.