Rechtstipp: Wann gilt eine Leistung als bewilligt?
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Wann gilt eine Leistung als bewilligt?

Viele Schlaganfall-Patienten beantragen Leistungen bei ihrer Krankenkasse. Dafür gibt es gesetzliche Regelungen. Doch manchmal müssen sich erst mehrere Gerichte damit beschäftigen, um Klarheit herzustellen.

Was ist eine Genehmigungsfiktion?

Die sogenannte Genehmigungsfiktion bedeutet im Laienverständnis, dass ein Heil- oder Hilfsmittel als genehmigt gilt, wenn die Krankenkasse es versäumt, den Antrag eines Versicherten in der vorgegebenen Frist zu bearbeiten. Doch ganz so einfach ist es leider nicht immer. Bisweilen wird die rechtliche Problematik deutlicher, wenn sie anhand eines Falles erzählt wird.

Der Fall: Versorgung mit einem Arzneimittel bei einer anderen Grunderkrankung

Der Kläger hat eine Gangstörung. Deshalb beantragt er bei seiner Krankenkasse die Versorgung mit dem Arzneimittel Fampyra. Fampyra ist ausschließlich bei Gangstörungen für an multipler Sklerose erkrankte Patienten zugelassen. Der Kläger leidet jedoch an einer anderen Grunderkrankung. Die Kasse lehnt die Versorgung deshalb ab. Nach ihrer Auffassung liegen die Voraussetzungen für einen sogenannten Off-Label- Use, also eine Anwendung des Arzneimittels außerhalb des Zulassungsbereiches, nicht vor. Allerdings erfolgt die Ablehnung erst nach Ablauf der maßgeblichen Frist. Viele Versicherte haben sich in ähnlichen Fällen das Mittel zunächst selbst besorgt, die Kasse musste die Leistung dann nachträglich ersetzen. Nicht so der Kläger in diesem Fall. Er besteht auf zukünftiger Versorgung auf „Kassenrezept“, weil die Kasse die Frist versäumt hat.

Die Rechtsgrundlage

Die Kasse hat gemäß § 13 III a Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) über einen Leistungsantrag zügig zu entscheiden, spätestens nach Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang. In Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme eingeholt wird, gilt die verlängerte Frist von fünf Wochen, bei für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren sechs Wochen. Kann die Kasse die Fristen nicht einhalten, muss sie die Gründe dafür rechtzeitig mitteilen, ansonsten gilt die beantragte Leistung als genehmigt („Genehmigungsfiktion“). Die Vorinstanzen gaben dem Kläger recht. Sie sprachen ihm das Arzneimittel zu, gestützt auf die Genehmigungsfiktion. Das Bundessozialgericht jedoch änderte jetzt die frühere Rechtsprechung zur Genehmigungsfiktion und verwies die Sache zurück ans Landessozialgericht.

Die Begründung

Aus der Genehmigungsfiktion folgt kein eigenständiger Anspruch auf die Sachleistung. Die Genehmigungsfiktion schließt auch die Prüfung der Leistung durch die Kasse nicht ab. Sie gibt dem Versicherten allein das Recht, sich die Leistung einstweilen selbst zu beschaffen, um schneller versorgt zu sein. Die Kasse wird für ihre verspätete Entscheidung bestraft, indem sie die Kosten für die Ersatzbeschaffung erstatten muss. Das gilt selbst dann, wenn kein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht, das heißt, der Versicherte „gutgläubig“ handelte, weil er nicht wusste, dass er keinen Anspruch auf die Leistung hat.

Die Lehre

Der Schluss, man erhalte die Leistung immer, wenn nur die Kasse die Frist versäumt, ist so pauschal nicht richtig.

 

Bundessozialgericht: Urteil vom 26.05.2020, AZ. B 1 KR 9/18