Wie steht’s eigentlich mit der Rückkehr auf den Fahrradsattel nach einem Schlaganfall?
© Asja Caspari

Sicherheit auf zwei Rädern

Mobilität nach Schlaganfall – da denken die meisten an Gangrehabilitation, manch einer an Autofahren. Doch wie steht’s eigentlich mit der Rückkehr auf den Fahrradsattel?

Zeit seines Lebens war der Hannoveraner Heinrich Lönnecke begeisterter Radfahrer. Als Schüler fuhr er bis ans Nordkap auf zwei Rädern. Dann erlitt der pensionierte Ingenieur vor drei Jahren einen Schlaganfall. Zwar kam die Beweglichkeit zurück, doch Lönnecke hatte plötzlich Gleichgewichtsprobleme. „Ich fühlte mich unsicher auf dem Rad, und meine Therapeuten rieten mir davon ab.“

Viele Menschen fahren kein Rad, weil sie sich unsicher fühlen

Über den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) erfuhr Lönnecke vom Verband der deutschen Radfahrlehrer und nahm Kontakt zu Fahrlehrer Christian Burmeister in Hamburg auf. „Der Bedarf an Radfahrschulungen ist unfassbar groß“, sagt Burmeister. „Verkehrsplaner glauben, dass bis zu 30 Prozent der Bevölkerung kein Rad fahren. Die meisten von ihnen, weil sie sich nicht sicher fühlen, vielleicht mal irgendwann gestürzt sind.“

Für Erwachsene ist Radfahren wesentlich komplexer zu lernen

Der Sportwissenschaftler liebt und lebt das Radfahren. Er gibt Radfahrkurse seit den 1980er-Jahren, bildet Radfahrlehrer aus und gründete den Verband, dem mittlerweile mehr als 40 ausgebildete Lehrer angehören. Was für viele selbstverständlich ist und bei kleinen Kindern erstaunlich spielerisch funktioniert, ist für Erwachsene wesentlich komplexer zu lernen.

Manch einer versteht bis heute nicht, was Burmeister macht. Wenn er hört: „Das muss man doch nur üben!“, platzt ihm der Kragen. „Wie soll jemand etwas üben, das er nicht kann?“, entgegnet Burmeister dann. „Ich habe das Radfahren komplett durchdekliniert. Ich weiß bis ins Kleinste, wie es funktioniert und wie das Gehirn es lernt“, sagt der engagierte Lehrer.

Von der Methode überzeugt

Heinrich Lönnecke fuhr zunächst mit einer Portion Skepsis zum Seminar. 80 Euro sollte es kosten. „Da kann man nicht viel falsch machen“, dachte er sich. „Nach einer halben Stunde war ich aber von der Methode voll überzeugt“, erinnert er sich. Zehn mal zwei Stunden dauerte der Kurs. An den ersten drei Tagen absolvierten die Teilnehmer nur Übungen auf einem Roller. „Ich wurde Schritt für Schritt wieder ans sichere Radfahren herangeführt“, so Lönnecke.

Übungseinheit auf einem Parkplatz

Die Sicherheit langsam wieder aufbauen

Er war nicht der erste Schlaganfall-Patient, der bei Burmeister das Radfahren neu erlernt hat. „Das geht natürlich nicht mit jeder Körperbehinderung, aber bei vielen Menschen kann man die Sicherheit
langsam wieder aufbauen. Die Dynamik ist vielleicht reduziert, aber das Prinzip ist dasselbe“, sagt der Lehrer.

Beflügelt durch das Seminar, kaufte sich Heinrich Lönnecke gleich ein neues Fahrrad. Seinen geplanten ersten Radurlaub nach dem Schlaganfall auf Sylt musste er zwar coronabedingt absagen, doch aufgehoben ist nicht aufgeschoben. Die nächsten Touren sind bereits geplant.