Hohe Motivation im Alter
© Adobe

Hohe Motivation im Alter

Die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) 2020 fand digital statt. Zwei besonders spannende Themen: Die Behandlung der Spastik und die Motivation in der Neurorehabilitation.

Spastik kostet Lebensqualität

Die Spastizität der Hand und des Armes zählt zu den häufigsten Behinderungen nach Schlaganfall. Einer aktuelle Studie zufolge leiden 31 Prozent der Schlaganfall-Patienten unter ihr. Das Problem: Die Spastik tritt in der Regel nicht akut mit dem Schlaganfall auf, sondern entwickelt sich in den folgenden sechs Monaten mit wachsender Ausprägung. Unbehandelt führt sie zu einer zunehmenden Verkürzung der Muskulatur und immer mehr Einschränkungen des Patienten. Spastizität hat einen hohen Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten.

Botulinumtoxin wirkt

Das Leiden vieler Patienten ist groß. Doch das müsste nicht sein, sagt Prof. Jörg Wissel (Berlin), einer der renommiertesten Spastik-Experten in Deutschland. Seit vielen Jahren behandelt er seine Patienten erfolgreich mit Botulinumtoxin. Dieses Nervengift ist – in der passenden Dosierung und an der richtigen Stelle injiziert – das wirksamste Mittel, die verkrampften Muskeln zu entspannen, um dann beispielsweise auch wirksame physiotherapeutische Übungen durchzuführen.

Frühe Behandlung hilft spürbar

Bereits auf der Stroke Unit, der Schlaganfall-Station, ließe sich anhand der funktionellen Einschränkungen der Patienten und der Bildgebung vorhersagen, wer nach drei Monaten eine relevante Spastik entwickelt habe, so Wissel. Deshalb plädieren Experten für eine ganz frühe Behandlung mit Botulinumtoxin. Studien besagen, dass so früh behandelte Patienten weniger Injektionen benötigen, deutlich weniger Schmerzen haben und eine höhere Lebenszufriedenheit empfinden.

Neurologische Reha im Alter

„Rehabilitation ist in erster Linie harte Arbeit des Patienten“ sagen viele Neurologen. Nur die ständige Wiederholung bringt Fortschritte. Ältere Patienten erhalten nicht selten eine geriatrische Reha mit deutlich geringerer Trainingsfrequenz, weil man sie nicht überfordern möchte. Prof. Stefan Knecht (Meerbusch) stellte schon vor Jahren fest, dass dies ein Trugschluss ist. Selbst hochbetagte Patienten profitierten in seiner Klinik von einer hohen Therapiedichte.

Senioren sind belastbar

Objektiv gemessen verfügen sie sicher über weniger Kraft als jüngere. Dennoch erzielen auch ältere Patienten beachtliche Rehabilitationserfolge, für die Prof. Alexandra Freund (Zürich) jetzt eine weitere, mögliche Erklärung lieferte. Subjektiv empfänden ältere Menschen eher weniger Erschöpfung als die jüngeren. Nach körperlicher Anstrengung erholen sie sich genauso schnell, konnte die Psychologin in Tests nachweisen. Die Jüngeren hatten unter Belastung subjektiv sogar früher das Gefühl, sie benötigten eine Pause. „Das widerspricht ganz dem Klischee der ausgepowerten Alten,“ sagt Freund.

Motivation keine Frage der Kraft

Gerade ältere Patienten können aus diesen Ergebnissen Mut schöpfen. Nach Entlassung aus der Rehaklinik ist das Eigentraining für sie enorm wichtig. Dafür braucht es viel Motivation, und die hängt offensichtlich nicht vom objektiven Leistungsvermögen, sondern vielmehr vom subjektiven Erschöpfungsgefühl der Patienten ab. Da scheinen die „Alten“ den „Jungen“ einiges voraus zu haben. Besonders erfolgversprechend – unabhängig vom Alter – ist das Training unter Wettbewerbsbedingungen. Bei computergestützten Übungen zum Beispiel kann das schon das Übertreffen der eigenen Bestmarke sein. Ein solcher Ansporn führt zu durchschnittlich 15 Prozent mehr Leistung.