Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hielt den Eröffnungsvortrag zum Hauptstadtkongress.

Gute Noten für Spahn & Co.

Hauptstadtkongress – 8.000 Entscheider aus dem Gesundheitswesen drei Tage gemeinsam in Berlin, wie jedes Jahr. Und wieder ging es um Digitalisierung. Was anders war: die Politik kam (relativ) gut weg.

Die unendliche Geschichte

Digitalisierung war (wieder) das Leitthema, Experten sprechen lieber von einem Leidthema. Die Geschichte ist alt, seit 15 Jahren will Deutschland die digitale Gesundheitsakte einführen. „Dass die Digitalisierung jetzt bei uns angekommen sei, habe ich schon so oft gehört, wie der Berliner Flughafen eröffnet werden sollte“, zog Roland Eils, Experte für digitale Medizin, eine eher zynische Bilanz der jüngeren Vergangenheit.

Worum geht es? Das Internet liefert enorme Möglichkeiten, gerade in der Gesundheitsversorgung. Patientendaten könnten theoretisch immer und überall verfügbar sein - Behandlungen schneller, sicherer und kostengünstiger verlaufen. Doch vor allem Datenschutzbedenken haben eine Einführung der digitalen Akte bisher verhindert. So kam es zu einem „Flickenteppich“ - zu vielen, kleinen, isolierten Insellösungen, die unter dem Strich niemandem besonders nützen, außer dem Anbieter.

Digitalisierung kein Ersatz für Menschlichkeit

Bedenkenträger gegen Digitalisierung gibt es übrigens nicht nur unter Datenschützern. Auch Ethiker stellen kritische Fragen, etwa ob sich der Mensch immer mehr selbst reduziere, wenn er die Künstliche Intelligenz (KI) weiterentwickele und zunehmend mehr Entscheidungen den Maschinen übertrage. „Digitalisierung und KI sind gut und wichtig, aber die menschliche Interaktion wird vorerst das bleiben, was uns ausmacht,“ sagte dazu Michael Brinkmeier, Vorstand der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, in einer Ethik-Debatte. Als Beispiel nannte er das Modell der Schlaganfall-Lotsen, die alle Gesundheitsdaten ihrer Patienten in einer App verwalten. Die hohe Zufriedenheit der Patienten beruhe jedoch vorrangig auf dem persönlichen Kontakt zum Lotsen.

Doch nicht nur Datenschutz und Ethik sind schuld, wenn es bei der Digitalisierung noch immer stockend vorangeht. „Wir bekommen die digitale Gesundheitsakte“, versprach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf dem Kongress. „Aber da müssen wirklich alle mitmachen. Wenn sich eine nennenswerte Zahl Ärzte entzieht, ist das nicht hinzunehmen“, kritisierte Spahn die Verweigerungshaltung in Teilen der Ärzteschaft. Er machte deutlich, dass er das Projekt jetzt auch gegen Widerstände durchsetzen wolle.

Ärztepräsident verhalten optimistisch

Eben das scheint eine Wesensart zu sein, die offenbar nur wenige Amtsvorgänger aufwiesen. Anders wären die 15 Jahre Stillstand ja nicht zu erklären. Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery, der selbst kein Blatt vor den Mund nimmt, äußerte sich jedenfalls ungewöhnlich positiv über den Minister. Selten habe er so viel streiten müssen, doch Montgomery lobte das energische Vorgehen Spahns und seine offene Art. In der Sache nicht immer einer Meinung, zog der Ärztevertreter unter dem Strich doch ein leicht positives Zwischenfazit der jüngsten Gesundheitspolitik.

Die ärztliche Versorgung, insbesondere auf dem Land, der Notstand in der Pflege und die Digitalisierung – das sind auch aus Spahns Sicht die dringendsten Themen im Gesundheitswesen. Alle haben eine lange Geschichte und sind komplex, einfache und kurzfristige Lösungen damit ausgeschlossen, da spricht auch der Minister ein offenes Wort: „Wir werden auch in fünf Jahren noch über die Pflege sprechen,“ prophezeit er.

Kopfgeldprämien für Pflegekräfte

Sein Pflegestärkungsgesetz – zusätzliche Pflegestellen in Krankenhäusern und Pflegeheimen zu finanzieren - sehen viele als guten Ansatz. Allein: es gibt sie nicht – Pflegenotstand. Ohne die Anwerbung ausländischer Kräfte wird es nicht funktionieren. Die größten Sorgen plagen hier die Pflegeheime, denn Altenpflege wird schlechter bezahlt als Krankenpflege. Auch hier sind neue Konzepte gefragt, wenn man keine Kanibalisierung in den Pflegebereichen erzeugen möchte.

Glaubt man Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, hat die schon lange eingesetzt. Er spricht von Kopfgeldprämien bis zu 8.000 Euro für die Vermittlung von Pflegekräften im Krankenhaussektor, so ernst sei die Lage schon auf dem Arbeitsmarkt. Keine gute Perspektive, dennoch sieht auch er weiterhin Chancen in einer aktiven Politik.

In Summe positiv

In Summe gab auch der oberste Krankenhausvertreter dem Minister eine positive Note. Wann gab es schon mal so viel – zumindest vordergründige – Einigkeit? Hat unser Gesundheitswesen am Ende doch Chancen, das zu werden, was manche, die darin Verantwortung tragen, gerne behaupten? Das Beste der Welt? Gar nicht so schlechte Aussichten, würde der Westfale sagen.