Martin Mütsch

Eine Frage der Wahrnehmung

Eine Brille als Hilfsmittel bei motorischen Einschränkungen? Auch das gibt es. Ein Optikermeister aus der Pfalz hat sie entwickelt.

Martin Mütsch aus Landau in der Pfalz ist ein Mann mit Ideen. Eigentlich hat er als Augenoptiker nichts mit der Schlaganfall- Therapie zu tun. Aber das Thema „neuropsychologische Funktionsstörungen“ interessierte ihn, deshalb besuchte er vor Jahren eine Fortbildung des Zentrums der Rehabilitation in Pforzheim. Dort lernte er unter anderem, dass die Gesichtsfeldeinschränkung zu den häufigen Folgen eines Schlaganfalls zählt.

Optik und Motorik gehören zusammen

Ein Jahr lang tüftelte er anschließend an seiner Idee, eine „Sehhilfe“ für Menschen mit eingeschränkter Wahrnehmung zu bauen. Dann brachte er seine „VMV Neurobrille“ heraus und ließ sie sich patentieren. Das Land Rheinland-Pfalz verlieh ihm dafür sogar seinen Innovationspreis. VMV steht für visuelle motorische Verbesserung und soll die Verbindung von Bewegung und Sehen deutlich machen. Denn darum geht es letztlich: Mütsch will seinen Kunden durch eine der Schädigung angepasste Veränderung der optischen Wahrnehmung motorische Verbesserungen ermöglichen. „Wenn Patienten in ihrer Motorik sicherer sind, geht es auch in der Reha weiter“, meint Mütsch. Der Optiker arbeitet mit einem optischen „Trick“. Wer eine Gesichtsfeldeinschränkung rechts hat, dessen gefühlte Körpermitte verschiebt sich nach links. Mütsch korrigiert diese Wahrnehmung durch seine speziellen Gläser. Die sind ungleichmäßig, angepasst an die Wahrnehmung des Patienten und verschieben beispielsweise das Sichtfeld. Er schickt seine Kunden durch einen Parcours von Slalom-Stangen, den er eigens dafür in seinem Geschäft angelegt hat, und feilt an der Einstellung der Brille so lange, bis sie den Parcours passieren, ohne die Stangen anzustoßen.

Kleine Studie durchgeführt

Mit der SRH Hochschule für Gesundheit Karlsruhe führte Mütsch auch eine kleine Studie mit sechs Probanden durch. Alle Teilnehmer zeigten nach sechs Wochen eine Verbesserung ihres Neglects und waren weniger sturzgefährdet. Das hat Mütsch angespornt, seine Idee weiterzuentwickeln. „Man lernt mit jedem Kunden dazu“, sagt der Optikermeister. Die Kosten unterscheiden sich nicht wesentlich von anderen Sehhilfen. Etwa 700 bis 900 Euro fallen für eine Brille an. Und Mütsch gibt seinen Kunden eine Garantie. Wer keine Verbesserung feststellt, dem erstattet er die Kosten. Die positiven Rückmeldungen seiner Kunden und auch von Therapeuten bestätigen ihn. Weil sein Angebot so speziell ist, scheuen die Kunden auch weite Wege nicht. Sie kommen zum Beispiel aus dem Ruhrgebiet, aus Bayern und aus der Schweiz.