Anfangs galt Covid-19 als reine Lungenkrankheit. Doch mit zunehmender Zeit häuften sich Beobachtungen, nach denen das Virus auch andere Organe angreift und zu neurologischen Folgen führen kann. Dies gilt inzwischen nach mehreren Studien als wissenschaftlich belegt. Grund für die Deutsche Gesellschaft für Neurologie, eine so genannte S1-Leitlinie zur Beteiligung von Neurologen an der Behandlung von Covid-19-Patienten herauszugeben.
65% der kritisch kranken Covid-19-Patienten wiesen mindestens ein neurologisches Problem auf
Eine kürzlich publizierte Studie zeigte, dass allein 65% der kritisch kranken Covid-19-Patienten mindestens ein neurologisches Problem aufwiesen, bei 7 von 86 dieser Patienten wurde sogar ein Schlaganfall diagnostiziert. „Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass COVID-19-Patienten neurologisch mitbetreut werden“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN und federführend bei der Erstellung der Leitlinie.
Auch jüngere, gefäßgesunde Menschen sind von den Schlaganfällen betroffen
Aufschlussreich sei beispielsweise, dass viele der Schlaganfälle im Kontext von Covid-19 nicht bei Patientinnen und Patienten im höheren Alter mit typischen Schlaganfall-Risikofaktoren auftraten. Mehrere Arbeiten berichteten, dass auch jüngere, gefäßgesunde Menschen von den Schlaganfällen betroffen waren.
Eine Leitlinie mit klaren Handlungsempfehlungen
Die vorliegende Leitlinie gibt klare Handlungsempfehlungen für die Versorgung von Patienten mit SARS-Cov-2-Infektion und neurologischen Symptomen. Grundsätzlich wird dazu geraten, Patienten mit neurologischen Symptomen, die über den Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns hinausgehen, in eine neurologische Klinik, vorzugsweise mit neurologischer Intensivstation, zu überweisen, denn alle neurologischen Manifestationen erforderten eine rasche stationäre Diagnostik und Therapie.
„Covid-19-Patienten mit neurologischen Beschwerden sind Notfallpatienten; werden sie nicht rechtzeitig versorgt, drohen schlechte Behandlungsergebnisse und Spätfolgen“, mahnt das Expertengremium. Oft seien bei diesen Patienten nach der Akuterkrankung rehabilitative und sozialmedizinische Maßnahmen und im späteren Verlauf auch ambulante neurologische Verlaufskontrollen erforderlich.
Darüber hinaus befürchten die Neurologen, dass insbesondere bei intensivpflichtigen, beatmeten Patienten neurologische Symptome überlagert werden könnten. „Es wurde bereits viel über die hohe Sterblichkeit von beatmeten Covid-19-Patienten diskutiert, die in Deutschland etwa 50% betrug. Es ist denkbar, dass viele von ihnen nicht rechtzeitig diagnostizierte neurologische Komplikationen hatten,“ sagt Generalsekretär Berlit. „Eine neurologische Mitbetreuung von intensivpflichtigen Covid-19-Patienten ist daher aus unserer Sicht essentiell.“