Darf und kann man nach einem Schlaganfall ein Auto steuern? Diese Frage ist nicht einfach mit „ja" oder „nein" zu beantworten. Führerscheininhaber sollten sich jedoch nach einem Schlaganfall nicht einfach wieder ans Steuer setzen. Auch für Führerschein-Neulinge nach Schlaganfall ist Beratung vorab das A und O. Sibylle Reiter hat sich mit dem komplexen Thema auseinandergesetzt.
Einen Königsweg gibt es nicht, aber die Erfahrung zeigt: Der behandelnde Arzt, die Straßenverkehrsbehörde (auch Fahrerlaubnisbehörde oder Führerscheinstelle) und Fahrlehrer, die auf die Ausbildung von Menschen mit Behinderungen spezialisiert sind, können kompetent Auskunft geben. Einer von ihnen ist Joachim Naase aus Mettmann bei Düsseldorf. Er ist Experte im doppelten Sinn. Zum einen kennt er aus seiner jahrelangen Arbeit die richtigen Wege zur (Wieder-)Erlangung einer Fahrerlaubnis. Zum anderen hat sein Sohn Tim im Alter von neun Jahren einen Schlaganfall erlitten und als Teenager den Führerschein erworben. Tim hatte Glück, er hat seinen Schlaganfall ohne Nachwirkungen überwunden. Ihn unterschied als Fahrschüler nichts von den anderen Prüflingen. „Aber jeder Fahrerlaubnisanwärter muss bei der Anmeldung auch einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen. Gegebenenfalls fordert das Straßenverkehrsamt dann Auflagen ein", erklärt Joachim Naase.
Mögliche Folgen eines Schlaganfalls - Halbseitenlähmung, Gleichgewichtsstörung, Konzentrationsstörung, Sehprobleme oder Einschränkung des Gesichtsfeldes - können dem Führen eines KFZ entgegenstehen. Es reicht nicht aus, sich das Autofahren selbst wieder zuzutrauen. „Ich habe ja einen Führerschein, wird schon gehen!" - diese Einstellung kann verhängnisvoll sein. Denn jeder Autofahrer trägt Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmer. Wer nach einem Schlaganfall keine Vorsorge für die Teilnahme am Straßenverkehr trifft und einen Unfall hat, muss haften, denn die Versicherung zahlt dann den Schaden nicht.
Aber nicht jeder Patient hat dieselben Voraussetzungen. „Die zuständige Behörde muss die Fahreignung überprüfen und bestätigen" erklärt Fahrlehrer Joachim Naase und ergänzt: „In manchen Fällen schreibt die Behörde die Patienten an, wenn sie Kenntnis von der Erkrankung hat, auch die behandelnden Ärzte weisen die Patienten in der Regel darauf hin, dass die Fahreignung zu überprüfen ist."
Naase rät insbesondere Berufstätigen und Führerschein-Neulingen, erst einmal nach Kostenträgern zu suchen. Denn unterzeichnet man einen Vertrag mit einer Fahrschule ohne vorherige Rücksprache mit dem Kostenträger, zahlt dieser dann nicht mehr. Weiterer Rat von Joachim Naase: „Die Umrüstung eines Fahrzeugs erst in Auftrag geben, wenn die Fahrerlaubnis definitiv erteilt ist". Auf Messen, bei spezialisierten Firmen und in Fahrschulen können Umbauten und Hilfsmittel angeschaut und getestet werden - sie müssen nach Einbau ins eigene Fahrzeug vom TÜV (westliche Bundesländer) oder von der Dekra (östliche Bundesländer) abgenommen und von der Behörde im Führerschein eingetragen werden.
Vorbildlich hat Harald Bauer (52) aus Heiligenhaus gehandelt: Nach einem Schlaganfall im Januar 2012 leidet er unter einer Halbseitenlähmung links. Er ließ sich ein medizinisches Gutachten von einem Verkehrsmediziner ausstellen und ging damit zur Fahrschule Naase, wo er neun Doppel-Fahrstunden absolvierte. Danach legte er die praktische Fahrprüfung bei einem TÜV-Prüfer neu ab. „Die Theorieprüfung musste ich nicht mehr machen, denn ich hatte ja bereits einen Führerschein." Mit der Bescheinigung über die bestandene praktische Prüfung ging Harald Bauer zur Straßenverkehrsbehörde, gab seinen alten Führerschein ab und bekam einen neuen ausgestellt. Darin ist eingetragen, dass er ausschließlich ein Auto mit Automatikgetriebe und Lenkrad-Knauf fahren darf. Sein altes Auto musste Bauer verkaufen, nun steht der Kauf eines neuen oder gebrauchten, auf jeden Fall aber umgerüsteten Fahrzeugs, an. Da die neue Fahrerlaubnis inklusive Gutachten etwa 2.000 Euro gekostet hat, die er selbst bezahlen musste, ist das auch eine finanzielle Frage. „Ich bekomme Erwerbsminderungsrente, daher gibt es für mich keinen Kostenträger, der mich hier entlastet", erklärt Bauer.