Damit die Hand wieder entspannt

Es ist das stärkste, natürlich vorkommende Gift der Welt: Botulinum-Neurotoxin. Richtig dosiert hilft es Schlaganfall-Patienten, spastische Muskelanspannungen zu lösen.

Dr. Martin Bonse


Dr. Martin Bonse
Evangelisches Klinikum Bethel (EvKB)

Der Muskel spannt sich an, obwohl er eigentlich gar nicht die Kraft dazu hat. Dadurch lässt sich unter Umständen die Faust nicht mehr öffnen, das Handgelenk beugt sich in eine unnatürliche Haltung. Viele Patienten haben nach einem Schlaganfall eine unangenehme Muskeltonuserhöhung (Spastik) in Arm oder Bein.

Schlaganfall-Betroffenen kann Botox helfen

Dr. Martin Bonse hilft den Betroffenen auf besondere Weise: mit Nervengift, im Volksmund „Botox".

Den Begriff „Botox" verwendet Bonse allerdings nicht so gerne. „Die Fachleute sprechen von Botulinum-Neurotoxin, kurz BoNT. Das im Volksmund bekannte Botox ist eines der drei wichtigsten Handelspräparate dieser Gruppe", erklärt der Leitende Oberarzt der Neurologischen Klinik des Evangelischen Klinikums Bethel in Bielefeld.

Was aktuell vor allem als Mittel gegen Falten bekannt ist, wird bereits seit Jahren auch medizinisch eingesetzt – seit einiger Zeit auch bei Spastik nach Schlaganfällen. „Das BoNT hilft nicht gegen die Lähmung. Aber es hilft, spastisch verspannte Hände oder Füße zu lockern, wieder in eine bessere Haltung zu bringen", sagt Bonse. Das erleichtere die Körperpflege oder bessere die Funktion. Durch die Entspannung der behandelten Muskeln kommt es manchmal auch zu einer besseren Funktion benachbarter Muskeln, sodass sich etwa die Funktion des Oberarms verbessern kann. „Einige empfinden die Spastik auch als sozial stigmatisierend, weil man ihnen den Schlaganfall dadurch ansieht oder die Finger in ungünstigen Positionen stehen bleiben", ist die Erfahrung des Experten.

Therapien, die sich unterstützen und gegenseitig verstärken

Auch mit BoNT-Behandlung rät der Arzt dazu, zusätzlich eine Orthese zur Lagerung zu nutzen. Die beiden Therapien unterstützen und verstärken sich gegenseitig. Alle drei Monate kann Bonse den Patienten eine Spritze setzen, bei einigen hält die Wirkung auch länger. Nebenwirkungen sind sehr selten. „Allerdings kommt die Therapie nicht für jeden infrage, etwa wenn die Spastik eine ganze Körperregion betrifft", erläutert der Neurologe. Deswegen bespricht er mit jedem Patienten individuell, ob eine BoNT-Therapie für ihn geeignet ist und welche Therapieziele damit erreicht werden sollen. „Ich rate dazu, die Anwendung am Anfang zwei, drei Mal auszuprobieren. Dann merken die Betroffenen selbst, ob ihnen das guttut oder sie lieber wieder darauf verzichten."