Einen kühlen Kopf bewahren
© Dominik Butzmann

Einen kühlen Kopf bewahren

Der Mensch lebt auf einem schmalen Grat, unser Körper tut alles, um seine Temperatur zu halten. Was passiert, wenn das Klima heißer wird? Wenn Hitzewellen das neue Normal sind? Hitze schlägt auf das Gehirn. Besonders leiden Menschen mit neurologischen Erkrankungen – oder einem Risiko für Schlaganfall.

Wir Menschen brauchen, um gesund zu sein, als Allererstes etwas zu essen, zu trinken, zu atmen. Und erträgliche Außentemperaturen. All das ist heute und erst recht in Zukunft gefährdet. Steigende Temperaturen, dreckige Luft und Extremwetter-Ereignisse: Die Klimakrise ist die größte Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert. Wir müssen nicht "das Klima" retten – sondern uns.

Das Hirn im Schwitzkasten

Der Körperteil, das am wenigsten Hitze verträgt, ist unser Gehirn. Wer hatte jemals einen wirklich klugen Gedanken bei 38 Grad im Schatten? Legt man ein Ei in ein heißes Wasserbad mit 42 Grad, dann ist es bald hart. Wenn das Wasser abkühlt, wird es nicht mehr weich. Ähnlich ist das beim Menschen: Wir bestehen wie ein Ei aus Wasser und aus Proteinen. Unser Hirn ist bei 42 Grad futsch. Es ist irreversibel gestört. Und lange bevor wir mit Hitzschlag oder Sonnenstich zusammenbrechen, reduziert sich klammheimlich unsere geistige Leistung, unser Wohlbefinden und unsere seelische Gesundheit.

Ärzte können bei Fieber zwar die Körpertemperatur senken, aber keine Außentemperatur. Und die Folgen sind heftig: Im Hitzejahr 2018 sind in Deutschland 20.000 Menschen gestorben. Besonders gefährdet sind Kinder, Ältere und Vorerkrankte. Trotzdem haben wir hierzulande nicht aus den vergangenen Hitzewellen gelernt. Warum gibt es bei uns keine Hitzeschutzpläne wie in Österreich oder Frankreich? Gegen Viren kann man impfen, gegen Hitze nicht.

Schlaganfall-Wetter: Die Folgen der Erderwärmung

Hitzewellen und Unwetter. Der Klimawandel macht unser Wetter extrem und das ist extrem ungesund. Wir wissen heute, dass bei Temperaturstürzen vermehrt Schlaganfälle auftreten können. Eine Studie der Universität Jena hat das mit Daten aus Notaufnahmen belegt: Das Schlaganfall-Risiko steigt nach Temperaturstürzen und bleibt zwei Tage erhöht. An diesen Tagen ist es wichtig, auf Warnzeichnen zu achten – und mit Blick auf das Wetter richtig zu deuten.

Klimaschutz ist Gesundheitsschutz

Schlaganfälle kommen scheinbar aus „heiterem Himmel“ – dabei sind sie oft die Folge von jahrelang schwelenden Vorerkrankungen: zu hoher Blutdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel, aber auch Rauchen oder Feinstaub.

Heute ist bekannt, dass an der Gerinnselbildung an den Gefäßen chronische Entzündungsvorgänge beteiligt sind. Und was die Medizin lange unterschätzt hat, ist die Summe vieler Faktoren, die sich im Körper nicht nur einfach summieren, sondern oft gegenseitig in ihrer krank machenden Wirkung verstärken. Dazu gehört auch Luftverschmutzung. Denn das Verbrennen von Kohle setzt nicht nur der Atmosphäre mit viel unnötigem Treibhausgas zu, sondern durch jede Menge schädlicher Staubteilchen in der Luft auch den Lungen und dem Gefäßsystem. Gerade die allerkleinsten Teilchen, die noch gar nicht systematisch erfasst werden, können direkt aus der Lunge ins Blut gelangen und damit auch ins Hirn und in die Gefäßwände. Dort erkennt sie das Immunsystem als "Fremdkörper" und versucht sie durch die eigene Abwehr loszuwerden. Weil das aber nicht gelingt, kommt es zu dieser chronischen Entzündung, zu dem Daueralarmzustand, der Herzinfarkte und Schlaganfälle wahrscheinlicher macht.

Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde. Es gilt zu erkennen, dass jede Klimaschutzmaßnahme nicht nur der Natur und Umwelt zugutekommt, sondern unmittelbar der Gesundheit! Durch bessere Luftqualität, gesündere Ernährung und Bewegung.

Einen kühlen Kopf bewahren

Tipps von Eckart von Hirschhausen

  1. Tagsüber jede Stunde ein Glas Wasser trinken – denn der Mensch verliert mehr Flüssigkeit, als er merkt.
  2. Wärme draußen lassen – tagsüber Fenster und Rollläden schließen und lüften, wenn es kühler wird.
  3. Vorbereitet sein – die "WarnWetter"-App vom Deutschen Wetterdienst informiert über Extremwetterlagen
  4. Kühlen Kopf bewahren – tragen Sie draußen eine luftige Kopfbedeckung.
  5. Siesta halten – passen Sie Ihren Lebensrhythmus an, das heißt: Wenn es heiß ist, ausruhen.
  6. Sprechen Sie rechtzeitig vor der Hitzewelle mit Ihrem behandelnden Arzt, denn viele Medikamente gegen Bluthochdruck und zur Entwässerung haben Wechselwirkungen mit der Hitzeregulation und müssen angepasst werden.
  7. Kümmern Sie sich um jemanden in Ihrer Umgebung, der weniger gut für sich sorgen kann. Besonders gefährdet sind vorerkrankte Menschen, die allein leben und nicht merken, wenn sie kurz vor dem Kollaps stehen. Umso wichtiger sind Nachbarn, Freunde und Verwandte, die wissen: Dauerhitze ist ein medizinischer Notfall.

Damit es nicht immer heißer wird

  1. Weniger Fleisch, mehr Gemüse essen. Unser Fleischkonsum ist schädlich für Körper, Tiere und Mutter Erde. Eine pflanzenbasierte Ernährung kann jedes Jahr in Deutschland 150.000 frühzeitige Todesfälle verhindern. Wenig Fleisch und Wurst zu essen ist also ein „Verzicht“ – auf Herzinfarkt und Schlaganfall.
  2. Sich selbst bewegen – mit eigener Kraft und ohne fossile Energie. Spazieren gehen, Rad fahren und wandern ist gesünder für Körper, Seele und Erde als Auto, Flug und Kreuzfahrt.
  3. An den großen Stellschrauben kann gedreht werden, wenn sich politische Rahmenbedingungen ändern. Dafür braucht es engagierte Mitbürger:innen. Das Wichtigste, was ein Einzelner tun kann, ist – kein Einzelner zu bleiben. Ob in der Patientenorganisation, der Selbsthilfe, der Kirchengemeinde, der Kommune, der Volkshochschule, einer Partei, einer Umwelt- oder Naturschutzorganisation – engagierte Ehrenamtler und Profis werden überall gebraucht. Wir schaffen es gemeinsam oder gar nicht. Es lohnt sich zu kämpfen: für jeden, der Klimaschutz als Gesundheitsschutz begreift, für jede vermiedene Tonne C02, für jedes Zehntel Grad, das wir nicht überhitzen. Sind Sie dabei?